Die irakischen Waffenschmieden des Islamischen Staates

(c) REUTERS (ALAA AL-MARJANI)
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Die IS-Jihadisten haben in eigenen Fabriken Raketen und Granaten samt Abschussvorrichtungen hergestellt. Die Waffen Marke Eigenbau wurden nach exakt festgelegten Kriterien produziert.

Es ist reiche Beute, die die Kämpfer des sogenannten Islamischen Staates (IS) nun bei Palmyra gemacht haben. Syriens Truppen mussten sich erneut aus der antiken Stadt zurückziehen (siehe Artikel Seite 3). Sie ließen dabei Dutzende gepanzerte Fahrzeuge zurück, die den vorrückenden Jihadisten in die Hände fielen. Es sind Beutezüge wie diese, mit denen der IS in den vergangenen Jahren seine Arsenale aufgefüllt hat. Der bedeutendste davon fand im Sommer 2014 statt, als bei Mossul ganze irakische Divisionen ohne nennenswerten Widerstand die Flucht antraten. Der IS gelangte dabei an umfangreiches irakisches Waffenmaterial, darunter Kampfpanzer und 2300 gepanzerte Geländefahrzeuge vom Typ Humvee.

Dazu kamen aus den reichen arabischen Golfstaaten großzügige Spenden, die die Kriegskasse des IS auffüllten und den Kauf militärischer Ausrüstung ermöglichten.
Doch die Jihadisten sind mittlerweile auch längst dazu übergangenen, selbst in großem Stil Waffen zu produzieren. Das geht aus einem Bericht hervor, der heute, Mittwoch, vom Militär-Thinktank Conflict Armament Research (CAR) veröffentlicht worden ist. CAR geht der Verbreitung von Kriegsgerät in internationalen Konflikten nach. Nun haben die Experten militärische Fertigungsanlagen des IS im Osten der nordirakischen Stadt Mossul untersucht – in den Gebieten, die erst vor Kurzem von irakischen Truppen zurückerobert worden sind.

IS-Einheit für Qualitätsmanagement

Sechs ehemalige Waffenfabriken des IS wurden dabei in Augenschein genommen, in denen die Jihadisten vor allem Granat- und Raketenwerfer und die dazupassende Munition hergestellt hatten. Was die CAR-Experten in ihrem Bericht verblüfft: Bei dem Militärgerät Marke IS-Eigenbau kann man keineswegs nur von „improvisierter Waffenproduktion“ sprechen. Vielmehr wurde hoch professionell nach genau festgelegten Kriterien vorgegangen.

Der IS hat dafür eine eigene Einheit für Qualitätsmanagement aufgestellt. Sie überwachte etwa, ob die Vorgaben für die Kaliber von Raketen, Granaten und deren Abschussvorrichtungen in den Fabriken im nordirakischen Mossul ebenso eingehalten wurden wie in Falluja westlich der irakischen Hauptstadt Bagdad. Denn was produziert wird, soll kompatibel sein und von den IS-Einheiten an allen Fronten eingesetzt werden können.

Bei der Waffenproduktion zeigt sich erneut, dass der IS nicht nur eine besonders grausame Jihadistenmiliz ist, die zahlreiche scheußliche Verbrechen begeht. Sie ist zugleich eine straff geführte Organisation, die bürokratisch genau alle Aspekte des Lebens und der Verwaltung in ihrem Machtbereich, dem sogenannten „Kalifat“, festlegt. So stießen die CAR-Experten im Osten Mossuls auf ein mit 31. August 2016 datiertes IS-Dokument, in dem die Einheit für Qualitätsmanagement alle Anforderungen für die Waffenproduktion festschreibt. In den Fabriken wurde über das hergestellte Material penibel Buch geführt und an die zentrale Führung gemeldet, wie viele neue Raketen und Raketenwerfer nun zur Verfügung stünden.

5000 Raketen und Granaten haben die Mitarbeiter von Conflict Armament Research in den sechs Tagen ihrer Untersuchungen bei Mossul gefunden. Die IS-Eigenbaugranaten haben das Kaliber 120 Millimeter, ein militärisches Standardkaliber für derartige Munition. Dazu kommen die dazupassenden Werfer, die die Jihadisten vermutlich aus Ölbohrrohren gefertigt haben.

Zucker für Treibladungen aus Türkei

Viele der Grundstoffe, die der IS für seine Waffenproduktion benötigt, stammen laut Conflict Armament Research aus der Türkei. Es handelt sich dabei um Materialien, die ganz normal auf dem freien Markt gekauft werden können. Dazu gehören etwa Zucker, Kaliumnitrat und Sorbitol, die für die Treibladungen der Geschosse verwendet wurden, oder Aluminium als Bestandteil des Sprengstoffes. Offenbar hat der IS die Waffenproduktion weiter angekurbelt, um besser auf die Abwehrschlacht um seine Hochburg Mossul vorbereitet zu sein. Trotzdem gelang es kurdischen Peschmergaeinheiten und Iraks Armee in einer Großoffensive, die Jihadisten zurückzudrängen. Doch nun toben zähe Kämpfe um jede Straße der Stadt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2016)

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