Moskaus „sauberer“ Krieg in Syrien

SYRIA-CONFLICT
SYRIA-CONFLICTAPA/AFP/OMAR HAJ KADOUR
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Die Kreml-Medien berichten seit mehr als einem Jahr über die russische Intervention als Erfolgsgeschichte. Doch nicht alle Fragen werden beantwortet.

Berichte vom erfolgreichen Einsatz der russischen Armee und Luftwaffe im Bürgerkriegsland Syrien gehören seit mehr als einem Jahr zu den Hauptakzenten der russischen Auslandsnachrichten. Vor allem staatliche und staatsnahe TV-Kanäle präsentieren Bilder einer „eleganten“ militärischen Kampagne. Journalisten begleiteten die offizielle Ankunft der Luftwaffe im vergangenen Herbst, interviewten Piloten der Luftwaffenbasis Hmeimim nahe Latakia, zogen mit syrischen Soldaten in den aufreibenden Kampf gegen Rebellen im Hinterland und meldeten die Vertreibung des Islamischen Staates (IS) aus Palmyra.

Höhepunkt der patriotischen Berichterstattung war zweifellos das von Valerij Gergijew dirigierte klassische Konzert im Amphitheater Palmyras, das als Sieg der zivilisierten Welt über die Barbarei dargestellt wurde und zu dem das Verteidigungsministerium Medienvertreter in die dem IS abgetrotzte Ruinenstadt eigens einflog.

Seit Mitte der Woche gibt es neue Bilder aus dem syrischen Bürgerkrieg, die in den Staatsmedien verbreitet werden: Drohnenaufnahmen von RT Ruptly, der Videonachrichtenagentur des TV-Senders RT, zeigen das unglaubliche Ausmaß der Zerstörung im nordsyrischen Aleppo. Die über der Stadt gleitende Drohne sichtet menschenleere Straßenzüge, Schutthaufen und zerbombte Häuser.

Dass die Stadt in Trümmern liegt, ist freilich unter anderem dem unnachgiebigen Bombardement durch Regierungstruppen und die russische Luftwaffe geschuldet. Doch über die Zahl der zivilen Opfer und die Frage der russischen Verantwortung erfährt man nichts in den Staatsmedien.

Etappensieg für Assad. Für die Kreml-Medien ist die menschenleere Stadt sowie die Verbringung der Kämpfer und Zivilisten aus dieser eine weitere wichtige Erfolgsepisode der russischen Intervention in Syrien. Ostaleppo, so der Tenor der Berichte, ist nun frei von Terroristen; die Russische Föderation leistet der friedliebenden Zivilbevölkerung humanitäre Hilfe; der legitime Präsident Bashar al-Assad hat mit der „Befreiung“ der Großstadt Aleppo einen wichtigen Etappensieg errungen.

Der russische Einsatz in Syrien verfolgt an der Heimatfront mehrere Ziele: Russland habe seine Rolle als Weltmacht wiedererlangt, wird suggeriert, ohne das Land sei kein Frieden zu machen; während Moskau für das Gute kämpfe, halte sich der Westen feige heraus oder unterstütze gar Terroristen.

„Sauberer“ Krieg, auch mit Söldnern. Anders als in der Teilrepublik Tschetschenien, wo Moskau mit Bodentruppen präsent war und Berichte über einen „schmutzigen“ Krieg das heroische Image störten, erscheint die Intervention in Syrien sauber, technisch hochgerüstet und aus sicherer Distanz. Doch die vom Kreml kontrollierten Medien erzählen auch hier nur einen Teil der Wahrheit. Während man offiziell in blutige Kampfhandlungen am Boden nicht involviert ist und offiziell erst 23 Tote verzeichnet, sprechen Berichte über vom Militärgeheimdienst GRU beauftragte Söldnertruppen für besonders schwierige Offensiven eine andere Sprache: Mehrere unabhängige Medien wie etwa die für ihre Investigativberichte bekannte Wirtschaftszeitung RBK berichteten bereits über die Gruppe Wagner, ein (in Russland offiziell verbotenes) Söldnerunternehmen. Laut RBK sollen im Jahr 2016 bis zu 1600 Söldner in russischen Diensten in Syrien stationiert gewesen sein.

In der Vorwoche sah man den inoffiziellen Chef der Gruppe, Dmitrij Utkin, bei einem Festempfang zu Ehren der Helden des Vaterlandes im Kreml. Utkin hat laut mehreren Quellen mit seinen Bewaffneten auch aufseiten der Separatisten im ostukrainischen Donbass gekämpft. Ebenfalls in der Vorwoche wurde bekannt, dass Angehörige der tschetschenischen Spetsnaz-Bataillone „Osten“ und „Westen“ nach Syrien verschickt wurden – offiziell als Militärpolizei zur Bewachung von Armeeobjekten. Am Mittwoch entschied die Staatsduma, dass Wehrdienstleistende und Reservisten per Vertrag künftig für kurze Zeit an Brennpunkte im Ausland verschickt werden können.

Über die Folgen dieser Vorgänge ist in den Kreml-Medien wenig bis nichts zu lesen. Und auch eine weitere Frage bleibt unbeantwortet: die nach der Zukunft und den Folgen des russischen Feldzugs in Syrien. „Moskau wird schrittweise in den militärischen Konflikt verstrickt“, schreibt der Analyst des Moskauer Carnegie-Zentrums, Nikolaj Koschanow, in einem Papier, „Russland versucht noch, per Informationspolitik diesen Prozess zu tarnen, aber dies wird immer schwieriger“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2016)

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