Venezuela: Blutiger Kampf ums Bargeld

Da sie kein gültiges Bargeld mehr für einen Einkauf besaßen, plünderten Hunderte Menschen Geschäfte in Venezuela.
Da sie kein gültiges Bargeld mehr für einen Einkauf besaßen, plünderten Hunderte Menschen Geschäfte in Venezuela.(c) REUTERS (CARLOS EDUARDO RAMIREZ)
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Der geplante Umbau des Bargeldsystems ist vorerst gescheitert: Nach Protesten und Plünderungen lenkte die Regierung ein.

Caracas. Mehrere Tote, viele Verletzte, geplünderte Geschäfte: Der geplante Umbau des Bargeldsystems führte am Wochenende zu einem blutigen Kampf auf den Straßen Venezuelas. Wegen der wachsenden Proteste zog Präsident Nicolás Maduro zurück und gab zunächst für ungültig erklärte Geldscheine am Sonntag wieder frei. Mit dem Beschluss bleibt die wenige Tage zuvor wertlos gewordene 100-Bolívar-Banknote nun bis 2. Jänner nutzbar.

Die sozialistische Regierung unter Maduro hatte die bisher größten Geldscheine aus dem Verkehr gezogen. Seit Donnerstag wurden sie nicht mehr als Zahlungsmittel akzeptiert. Die eigentlich für denselben Tag geplante Ausgabe von größeren Scheinen mit einem Wert von 500 bis 20.000 Bolívar verzögerte sich aber. Bei den Geldinstituten waren Lieferungen aus Druckereien in den USA und Großbritannien nicht rechtzeitig eingetroffen.

Die 100er-Scheine machen fast die Hälfte des sich im Umlauf befindlichen Bargeldes in Venezuela aus. Die Banknote ist allerdings kaum etwas wert. Ein US-Dollar kostet auf dem Schwarzmarkt derzeit rund 2480 Bolívar. Millionen Venezolaner – etwa 40 Prozent der Einwohner haben kein Bankkonto – standen plötzlich ohne gültiges Bargeld da, um Lebensmittel, Benzin oder Weihnachtsgeschenke zu kaufen.

Am Samstag kippte die Stimmung, in mehreren Orten kam es zu Gewaltausbrüchen. In der Bergarbeiterstadt Callao im Süden Venezuelas wurden nach Angaben eines oppositionellen Parlamentariers bei Plünderungen drei Menschen getötet. Einem Bericht der Zeitung „El Nacional“ zufolge rief der Bürgermeister der Gemeinde Sifontes im südlichen Bundesstaat Bolívar den Ausnahmezustand aus, nachdem Geschäfte geplündert worden waren.

1600 Prozent Inflation

Präsident Maduro sprach im Fernsehen von einem „internationalen Sabotageakt“. Im Ausland seien Flugzeuge, die mit den neuen Geldscheinen beladen gewesen seien, zum Umkehren gezwungen worden. Die Regierung habe aber bereits neue Lieferungen organisiert.

Venezuela hatte den Banknotentausch mit dem Kampf gegen internationale Mafiabanden begründet, die Milliarden in 100-Bolívar-Scheinen ins Ausland verschoben hätten, vor allem nach Kolumbien. Daher wurde die Grenze nach Kolumbien geschlossen, um so Geldschmuggel zu unterbinden. Doch Hunderte Menschen durchbrachen am Wochenende die Absperrungen.

Der südamerikanische Staat kämpft mit der höchsten Inflationsrate weltweit. Die Regierung macht zwar keine offiziellen Angaben zur Teuerungsrate, aber Experten rechnen mit 600 bis 700 Prozent Inflation im laufenden Jahr. Für 2017 erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar eine Inflationsrate von mehr als 1600 Prozent.

Zudem leidet Venezuela seit Langem unter einer schweren Wirtschafts- und Versorgungskrise. Wegen des niedrigen Ölpreises besitzt das Land kaum noch Devisen. Betriebe können deshalb fast keine Rohstoffe aus dem Ausland einkaufen. In den Supermärkten fehlt es an vielen Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2016)

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