Notfallpläne: Was passiert, wenn „es“ passiert

GROSSE EINSATZ�BUNG ´SHOW OF FORCE´ IN WIEN
GROSSE EINSATZ�BUNG ´SHOW OF FORCE´ IN WIEN(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Die Behörden sind gerüstet – für den Fall, dass der Terror auch in Österreich ankommt. Wie Innenministerium oder Rettung krisenhafte Situationen vorbereiten.

Wien. Drei bewaffnete Terroristen. Erst erschießen sie Passanten, dann verschanzen sie sich in einem Gebäude – ein Anschlagsszenario mit sogenannter Großschadenslage, also ein Ereignis mit mehreren Toten, Verletzten und schweren Sachschäden. Was passiert, wenn es in Wien dazu kommt?

Im Einsatz wären bei diesem Szenario etwa 300 Beamte, die dem Innenressort unterstehen – Kräfte der Landespolizeidirektion, der Wega, der Bereitschaftspolizei, der Cobra, des Entschärfungsdienstes. Dazu kämen noch Mitarbeiter des Krisenmanagements der Stadt und natürlich Rettungsdienste. Was in Wien los wäre, wie Einsatzorganisationen zusammenspielen, wie die Bevölkerung, auch via Social Media, informiert würde, wie Krisenstäbe funktionieren – das wurde in Wien erst im Herbst im Zuge einer Großübung durchexerziert.

Die Frage stellt sich freilich für ganz Österreich: Was passiert, wenn „es“ passiert, wenn auch hierzulande ein Anschlag verübt wird (für Terrorexperten ist dies nur eine Frage der Zeit)? Bei einem Attentat wie bei dem in Berlin würden die sogenannten Richtlinien für besondere Lagen in Kraft treten. Diese sehen vor, dass die Einsatzkräfte unter Verantwortung des Innenressorts nach vorbereiteten und bei Übungen erprobten Plänen vorgehen.

Pläne gegen mögliches Chaos

Denn: In „krisenhaften Situationen“, wie es im Amtsdeutsch heißt, ist es entscheidend, auf ausgearbeitete Strukturen zurückgreifen zu können. „Es muss klare Kommunikationsabläufe geben, sonst gibt es ein Durcheinander“, erklärt der Sprecher des Innenressorts, Karl-Heinz Grundböck. Im Falle eines Terrorangriffs etwa werden in kurzer Zeit Organisationsebenen aufgebaut. Ganz oben wird ein Führungsstab gebildet, diesen könnte bei einem entsprechend großen Ereignis der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit leiten. Dieser Führungsstab, der im Ministerium am Minoritenplatz zusammentreten würde, bildet den behördlichen Überbau. Ebenso wird ein Einsatzstab gebildet. Dieser besteht aus den operativ Verantwortlichen vor Ort. In der Regel gilt: Nachdem die Funktionen in den Stäben besetzt sind, läuft die Kommunikation mit anderen Einsatzkräften, vor allem mit Rettung und Feuerwehr, über vorher definierte Schnittstellen.

So soll Chaos verhindert werden. Grundböck: „Die Denkbarkeit der Ereignisse ist so groß, dass man nicht für jedes mögliche Szenario einen eigenen Plan ausarbeiten kann. Sehr wohl aber kann man eine Standardisierung von Abläufen ausarbeiten.“ Kommt es zu einer akuten Terrorlage, wird für den Einsatz das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) über vorher definierte Schnittstellen (Kontaktpersonen) eingeschaltet. Zudem gibt es in jedem Bundesland eine den Landespolizeidirektionen zugeordnete Staatsschutzeinheit (LVT).

Cobra – in einer Stunde überall

Die Aufgaben dieser Behörden sind im erst seit Juli 2016 geltenden Staatsschutzgesetz geregelt. Darunter fallen etwa die Beobachtung möglicher Terrorzellen, der Schutz vor verfassungsgefährdenden Angriffen (hier ist das BVT oft auf Hinweise ausländischer Dienste angewiesen) und die Ermittlungstätigkeit, nachdem „es“ passiert ist.

Die polizeiliche Antiterroreinheit Cobra ist im Gegensatz zum BVT keine Ermittlungs-, sondern eine Eingreiftruppe. Cobra-Beamte können für praktisch alle besonders schwierigen oder gefährlichen Einsätze angefordert werden. Im Notfall ist für die (in Summe einigen Hundert) Cobra-Beamten jeder Ort in Österreich von ihren acht Standorten aus in einer Stunde zu erreichen.

Parallel zur Polizei stehen freilich auch andere Blaulichtorganisationen für den Terrorfall bereit. In der Zentrale der Wiener Berufsrettung im dritten Bezirk würde im Falle eines Attentats – wie auch bei anderen Großeinsätzen – ebenfalls ein Krisenstab zusammentreten, der den Einsatz der Rettungsorganisationen mit Polizei oder Spitälern koordiniert. Auch ein Katastrophenzug mit Spezialfahrzeugen und einer mobilen Einsatzzentrale steht dort immer bereit, um für Großschadenslagen gerüstet zu sein. Die Einsatzpläne der Rettung werden – auch nach aktuellen Anschlägen oder Übungen wie jener im Herbst – laufend adaptiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2016)

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