Sex-Outing: Der junge Mitterrand macht Ärger

(c) AP (Francois Mori)
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Sein eigenes Buch wird dem französischen Kulturminister Frédéric Mitterrand zum Verhängnis. Darin soll er Erlebnisse als homosexueller Sextourist schildern.

Es sei ein „unauslöschbarer Schandfleck in der Regierung“, sagte Marine Le Pen, die Rechtsaußenpolitikerin und jüngste Tochter von Jean-Marie Le Pen, am Montagabend live in einer Fernsehtalkshow. Was sie damit erreichen wollte, hat sie jetzt: einen handfesten Skandal.

Aber der Reihe nach: Die Oppositionspolitikerin warf dem gerade erst ernannten Kulturminister Frédéric Mitterrand nämlich vor, er habe 2005 seine Erlebnisse als Sextourist mit Kinderprostituierten in Thailand in seinem autobiografisch gehaltenen Buch „La Mauvaise Vie“ („Das schlechte Leben“) erzählt. Den Einwand des Gesprächsleiters Yves Calvi, es handle sich da doch wohl bloß um literarische Fantasien des Autors, wollte Le Pen nicht gelten lassen. Zu genau seien die Schilderungen der Situation, aber auch der Gewissensbisse des damaligen Schriftstellers und heutigen Ministers, aus dessen Buch sie im Fernsehen auch zitierte: „Dieser Sklavenmarkt erregt mich enorm. Vom moralischen Standpunkt aus ist es ein widerliches Spektakel, mich aber erregt es über jede Vernunft hinaus. Dieses Angebot an attraktiven und sofort verfügbaren Knaben versetzt mich in einen Zustand des Begehrens, den ich weder zurückzuhalten noch zu verbergen brauche.“

Die übrigen Gesprächsteilnehmer im Fernsehstudio waren sichtlich peinlich berührt von dieser Enthüllung. Der ebenfalls anwesende Sprecher der Regierungspartei UMP, der sonst so schlagfertige Frédéric Lefebvre, meinte nur, er habe das fragliche Buch nicht gelesen und könne darum nichts dazu sagen. Im Internet aber macht seither die Videosequenz die Runde. Und auch der Sprecher der Sozialistischen Partei, Benoit Hamon, legte nach. „Während Frankreich mit Thailand den Kampf gegen das Übel des Sextourismus angeht, haben wir einen Minister, der erklärt, dass er selbst Kunde ist“, sagte Hamon.

Nach den Medienberichten wollte der Minister, ein Neffe des mittlerweile verstorbenen früheren Präsidenten François Mitterrand, zu den gravierenden Anschuldigungen und Rücktrittsforderungen bisher nicht Stellung nehmen. In der Zwischenzeit werden Literaturexperten zurate gezogen.

So meinte etwa der Literaturkritiker des „Nouvel Observateur“ es handle sich bei dem Buch und eine „halb reelle, halb geträumte Autobiografie“, in der sich Vergangenheit und Gegenwart vermischen würden. Nur am Rande verwies er darauf: „Wer meint, es handle sich um Prahlerei, sollte aufmerksam die sehr schöne Liebesszene mit einem Prostituierten von Phat Pong lesen, eine überraschend delikate Schilderung trotz der Präzision der Details.“ Mit ihrem sehr vehement vorgetragenen Vorwurf, Minister Mitterrand habe selber in Sachen Kinderprostitution und Sextourismus keine klare Haltung, unterstellt ihm Marine Le Pen, er sei in der Frage des wegen eines Sexualdelikts an einer Minderjährigen beschuldigten Polanski befangen.

Der 62-jährige Mitterrand, der bekennender Homosexueller ist, hatte vergangene Woche kurz nach Polanskis Verhaftung in einer ersten Reaktion erklärt, der französisch-polnische Regisseur sei in eine Falle geraten, und sprach von einem „Amerika, das Angst macht“. Später rückte er die Aussage zurecht und erklärte, er habe „zu emotional“ reagiert. Es ist also kein Zufall, dass das Buch Mitterrands nun ins Rampenlicht gerät.

AUF EINEN BLICK

Frédéric Mitterrand,geb. 21.8.1947, ist der Neffe des früheren franz. Staatspräsidenten François Mitterrand und seit 24. Juni Kulturminister im Kabinett von Nicholas Sarkozy.

Mitterrand ist bekennender Homosexueller und war Kinobesitzer, Schauspieler, Fernsehproduzent, zuletzt Direktor der Französischen Akademie in Rom.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2009)

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