Russland: "Obamas Drohung ist absolut lächerlich"

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Konstantin Kosatschow, Chef des außenpolitischen Ausschusses im Föderationsrat, im Interview über Russlands Ziele in Syrien, den Freundschaftsvertrag mit der FPÖ, die Wahl Donald Trumps und den virtuellen Hackerkrieg mit den USA.

„Die Presse“: Donald Trump hat sich sehr freundlich über Wladimir Putin geäußert. Erwarten Sie vom nächsten US-Präsidenten einen Neuanfang in den russisch-amerikanischen Beziehungen?

Konstantin Kosatschow: Es ist zu früh, Prognosen abzugeben. Wir hatten schon einmal einen Reset – mit Obama – und wissen, wie das damals endete. Bei Clinton wäre alles vorhersagbar gewesen. Wenn sie gewonnen hätte, hätten sich die bilateralen Spannungen und globalen Konflikte verschärft.

Und bei Trump?

Trump ist wie eine Gleichung mit lauter Unbekannten. Es eröffnet sich nun aber zumindest eine Möglichkeit, die wir bei einem anderen Wahlausgang nicht gehabt hätten. Aber wir überschätzen Trump nicht und sind auch nicht zu 100 Prozent optimistisch.

Der neue US-Außenminister Tillerson ist kein Unbekannter. Er bekam einen russischen Freundschaftsorden.

Was mir sehr gefällt. Er erhielt diese Auszeichnung nicht, weil er die Interessen der USA oder ExxonMobil gegenüber Russland aufgab. Ich bin sicher, dass Tillerson und Trump in erster Linie proamerikanisch agieren werden. Sie werden keine leichten Verhandlungspartner sein. Ich mag aber an Trump und Tillerson, dass sie offenbar auf Lösungen abzielen, die auch für die andere Seite akzeptabel sind. So werden auf der Welt Geschäfte gemacht. Wenn sie diesen Ansatz in der Außenpolitik implementieren, ergibt sich eine Win-win-Situation.

Wie könnte ein Deal für die Ukraine und die Krim aussehen?

Das Kapitel Krim ist abgeschlossen. Die Krim ist integraler Bestandteil Russlands. Die Bevölkerung der Krim hat entschieden.

Aber die Annexion der Krim ist international nicht anerkannt.

Früher oder später wird es anerkannt. Es wäre ein großer Fehler, die Krim und die Südostukraine zu vermischen. Denn das würde uns in einer Falle halten, in der wir keine Lösungen finden. Die Südostukraine ist ein offenes Thema. Wir wollen die Ukraine unterstützen, ihre territoriale Integrität wiederzuerlangen. Wir wollen nicht, dass dieser Konflikt ewig dauert.

Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Ukrainer erpicht ist auf diese russische Unterstützung.

Wir befehligen die Menschen in der Südostukraine nicht.

Es ist dokumentiert, dass es enge Verbindungen zwischen Separatisten und Russland gab.

Russland hat im Rahmen seiner Möglichkeiten versucht, diese Leute zu überzeugen, nicht mehr über eine Abspaltung von der Ukraine zu reden, keine unwiderrufbaren rechtlichen Schritte zu setzen und die Waffenstillstandslinie zu respektieren. Im Gegenzug hätte Kiew seine Punkte des Minsk-Abkommens umsetzen müssen: Verfassungsänderung, Dezentralisierung, Wahlgesetze für Donezk und Lugansk und Amnestie. Das geschah nicht. Wir sitzen deshalb alle in einer Falle: Russland, die EU und Österreich.

Warum hat Russland neulich bloß die Türkei und den Iran zu einem Syrien-Gipfel eingeladen?

Russland lädt alle interessierten Länder zur Kooperation ein, aber nicht nur um des Redens willen. Die Situation in Syrien hat sich seit dem vergangenen Jahr stark verändert. Im Gegensatz zu den vier Jahren davor, als die USA und andere auf eigene Faust handelten.

Die Situation hat sich wegen der massiven russischen Bombardements verändert.

Russland unterstützt die syrische Regierung dem Völkerrecht gemäß. Es gibt nur zwei rechtliche Möglichkeiten, militärische Gewalt in einem anderen Land einzusetzen: Wenn es eine diesbezügliche Entscheidung des Sicherheitsrats gibt oder eine Bitte um Unterstützung aus dem entsprechenden Land. Die USA, Frankreich, Großbritannien, Saudiarabien oder die Türkei erfüllen keine dieser Bedingungen.

Das Problem ist, dass Assad selbst Völkerrecht bricht. Er entfachte einen Bürgerkrieg, der mehr als 300.000 Menschleben kostete.

Es gibt keine bestätigten Opferzahlen. Die Situation ist tragisch, aber sie wurde von außen provoziert. Seltsamerweise verlief der Arabische Frühling in Staaten wie Bahrain oder Saudiarabien, die eng mit den USA verbündet sind, anders. Es gibt zwei wesentliche Gründe, warum Russland eingreift: Irak und Libyen. Wir wollen nicht, dass in Syrien dasselbe Terrorchaos entsteht. Jetzt haben wir eine Chance, Frieden und Stabilität zurückzubringen. Diese Chance gibt es für den Irak und Libyen nicht mehr.

Es gibt doch internationalen Konsens, gegen Terrorgruppen wie den IS gemeinsam vorzugehen.

Wir fragten Staaten mit starken Nachrichtendiensten wie die USA oft, uns Informationen darüber zu geben, wo sich der IS oder Jabhat al-Nusra aufhalten, damit wir verhindern können, die sogenannte moderate Opposition zu treffen. Wir bekamen nicht einmal das kleinste Informationsteilchen. Die USA verhalten sich leider nicht wie ein verlässlicher Partner.

Weil es kein Vertrauen gibt.

Das Ziel der USA und anderer Staaten ist es, Assad loszuwerden. Das verstößt gegen internationales Recht. Wir wissen, dass die USA und ihre Alliierten Teile der radikalen Opposition intakt halten wollen, um sie gegen Assad einzusetzen. Das ist ein Doppelspiel.

Und Russland will Assad an der Macht halten.

Das ist falsch. Das Problem Nummer eins ist nicht die Demokratie, sondern die Terrorgefahr.

Haben Sie keine Gewissensbisse, wenn Sie Fotos des zerstörten Aleppo sehen?

Ich möchte Ihnen drei Aufnahmen aus dem westlichen Fernsehen zeigen: Sie zeigen dasselbe Mädchen, das von drei verschiedenen Helden gerettet wird. In Aleppo gibt es leider viele Opfer, aber diese Menschen wurden als menschliche Schutzschilder missbraucht. Als Russe bin ich stolz darauf, was wir in Syrien erreicht haben, besonders in Aleppo. Wir haben Zehntausende Menschen gerettet.

Zu Beginn der Militäroperation hieß es, sie werde in ein paar Monaten vorbei sein. Sie dauert schon mehr als ein Jahr. Befürchten Sie nicht, dass Russland im syrischen Sumpf versinkt?

Sobald der IS vernichtet ist, wird Russland sich zurückziehen.

Zuletzt hat US-Präsident Obama Russland Vergeltung angedroht, weil im Wahlkampf die Demokratische Partei gehackt wurde.

Das ist absolut lächerlich. Wir haben keinen Beweis gesehen. Die Unschuldsvermutung gilt offenbar für alle, nur nicht für Russland.

Putins Partei Einiges Russland unterzeichnete einen Freundschaftsvertrag mit der FPÖ. Warum ist Russland so interessiert daran, mit EU-skeptischen Parteien zusammenzuarbeiten?

Einiges Russland ist für Kooperationen mit allen Parteien offen, die legal in ihren Parlamenten vertreten sind. Das heißt aber nicht, dass wir sie finanziell unterstützen.

Es kursiert die Annahme, Russland unterstütze diese Parteien, weil es keine starke EU wolle.

Ich war lang internationaler Sekretär von Einiges Russland. Unsere Strategie war es, Verbindungen zur Europäischen Volkspartei aufzubauen. Ich habe EVP-Präsident Martens mehrmals getroffen, wir haben zwei offizielle Anfragen gestellt, der EVP beizutreten. Martens zeigte sich offen dafür. Deshalb arrangierte ich in der Zeit von 2008 bis 2010 zwei persönliche Treffen von Martens und Putin in Moskau. Doch es kam nichts zurück. Wir suchen Partner, aber wir wollen die Aktivitäten der EU nicht stören.

ZUR PERSON

Konstantin Kosatschow (geboren am 17. September 1962 in Moskau) ist Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses des Föderationsrates, des Oberhauses des russischen Parlaments. Davor war er lange Duma-Abgeordneter und internationaler Sekretär von Putins Partei Einiges Russland. Zu Beginn der Woche weilte er auf Einladung des Nationalrats in Wien. Das Interview fand vor der Ermordung des russischen Botschafters in Ankara statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2016)

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