Seehofers Dauerfeuer auf Angela Merkel

(c) APA/AFP/CHRISTOF STACHE
  • Drucken

Horst Seehofer, Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef, könnte für Versäumnisse in der Zuwanderungspolitik alle möglichen Leute kritisieren, er nimmt sich aber exklusiv die Bundeskanzlerin vor.

München. Der Mann im Landtag, immerhin aus dem Führungskreis der CSU, rauft sich die Haare: „Diese Kurve kriegt der Seehofer nicht mehr.“ Auch für jemand anderen sieht er schwarz: „Angela Merkel und Horst Seehofer, das sind beides Machtmenschen auf ihre Weise. Sie werden sich nie mehr verstehen.“

Seit einem Jahr, seit er sie beim CSU-Parteitag für „zehn gute Jahre“ Kanzlerschaft lobte, nur um sie sogleich für ihre Flüchtlingspolitik abzukanzeln, schießt Seehofer auf Merkel. „Immer wieder feuert er aus dem Hinterhalt“, sagt der CSU-Mann, der anonym bleiben will. Für die jüngste Attacke hatte Bayerns Herrscher ausgerechnet die Schweigeminute genutzt, die vor der Sitzung seines Kabinetts den Opfern des Berliner Anschlags galt. Da standen alle ernst da, die Minister von Bayern, und Seehofer sagte, als leiste er einen Racheschwur: „Wir sind es den Opfern, den Betroffenen und der Bevölkerung schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren.“ Es war, darin sind sich die Beobachter einig, wieder eine Botschaft an Merkel.

Dabei, gibt der CSU-Mann zu, habe die Kanzlerin ihre Zuwanderungspolitik neu justiert. Die Merkel der Grenzöffnung 2015 sei nicht die Merkel von heute, von den CSU-Forderungen nach Asylverschärfungen wurden die meisten von der CDU übernommen.

Doch Seehofer beschießt weiter die Merkel von einst. Will er so sein Profil schärfen? Kurz vor dem Ruhestand politisch „revitalisiert“ durchs Flüchtlingsthema, wie man sich auch im Landtag fragt? Tatsächlich fällt auf, dass Seehofer sich auf Merkel eingeschossen hat. Politisch logisch wäre es, für nicht Erreichtes einen widerspenstigen Koalitionspartner zu kritisieren. Doch Seehofer kritisiert erneut „die Bundesregierung“, also ihre Chefin. Dafür, dass Bayern die Grenzen noch stärker bewachen muss, könnte er auch die Nachbarländer rüffeln, die vielleicht ihre „Filterfunktion“ vernachlässigen. Aber der Bayer lässt etwa über Österreich nichts kommen, zu Italien, dem beliebten Sündenbock, fällt ihm nichts ein. Er zielt auf die in Berlin gemachte Innenpolitik. Und, wie als Misstrauensvotum, auf die für Grenzschutz zuständige Bundespolizei, die ohne Bayerns Hilfe schlechte Arbeit mache.

Das Obergrenzenmantra

Zum Mantra hat Seehofer seine Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge gemacht, er wiederholt sie umso lauter, je weniger die Kanzlerin darauf eingeht. Zuletzt sagte er, man werde sich ohne Obergrenze nicht an einer künftigen Bundesregierung beteiligen. Nach dem Berliner Anschlag setzte er in seiner Partei den Beschluss durch, nicht einmal am „Einigungsgipfel“ der Union im Februar werde man teilnehmen, falls zuvor nicht „entscheidende Fragen der Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik geklärt“ seien. Also wird es weiter, etwa neben den Fragen eines Bundeswehreinsatzes im Inland und von Transitzentren an den Grenzen, darum gehen. Aber so sehr Seehofer eine Obergrenze will: Er hat noch keinen verfassungsrechtlich haltbaren Gesetzesentwurf vorgelegt. Das, meinen Beobachter in München, sei eben schwer, Polemik allerdings leicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.