Keine Überlebenden nach Tupolew-Absturz

Trümmerteile der Tupolew wurden 1,5 Kilometer von der Küste von Sotschi gefunden
Trümmerteile der Tupolew wurden 1,5 Kilometer von der Küste von Sotschi gefundenReuters
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Kurz nach dem Start in Sotschi stürzte eine Tupolew ins Schwarze Meer. Alle 92 Insassen, darunter Dutzende Mitglieder des russischen Armeechors, sind dabei ums Leben gekommen. Präsident Putin ordnete eine eintägige Staatstrauer an.

Beim Absturz eines russischen Flugzeugs auf dem Weg nach Syrien sind 92 Menschen ums Leben gekommen. Es gebe keine Hoffnung auf Überlebende, erklärte das Verteidigungsministerium am Sonntag in Moskau. An Bord der Tupolew Tu-154 waren unter anderen 64 Mitglieder des Alexandrow-Ensembles, das auch als Chor der Roten Armee bekannt ist.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums war das Flugzeug am frühen Sonntagmorgen nahe der Schwarzmeerstadt Sotschi in Richtung Syrien gestartet und kurz darauf vom Radar verschwunden. "Die Absturzstelle der Tu-154 wurde bestimmt", erklärte ein Armeesprecher. Demnach wurden Trümmerteile der Tupolew etwa 1,5 Kilometer von der Küste entfernt in 50 bis 70 Meter Tiefe gefunden. Es sei aber noch zu früh, etwas zur Ursache zu sagen, sagte Transportminister Maxim Sokolow abends.

Etwa 3000 Rettungsleute auf 27 Schiffen suchten die Küste vor dem Ferienort Sotschi ab. Bis zum Sonntagnachmittag wurden zwölf Leichen geborgen. Die Flugschreiber seien noch nicht geortet worden, so Minister Sokolow. Laut Verteidigungsministerium war die abgestürzte Maschine seit 1983 im Einsatz und hatte 6689 Flugstunden absolviert. Die letzte Reparatur war demnach im Dezember 2014, zuletzt inspiziert wurde das Flugzeug im September.

Nicht genannte Behördenvertreter sprachen von möglichen technischen Problemen im Steigflug. Routinemäßig gingen Ermittler auch dem Verdacht auf einen Anschlag nach. Die Maschine setzte den Angaben nach kein Notsignal ab. Die Trümmer verteilten sich auf dem Wasser über mehrere Kilometer. Sokolow erklärte das mit starker Strömung. Ende Oktober 2015 war ein russisches Touristenflugzeug mit 224 Menschen über der ägyptischen Sinai-Halbinsel gesprengt worden.

Armeechor war am Weg nach Syrien

An Bord der Maschine waren 84 Passagiere sowie acht Crew-Mitglieder, wie das Verteidigungsministerium mitteilte. Neben den Chormitgliedern saßen auch acht Militärangehörige in der Maschine, unter ihnen der Dirigent des Chors, Waleri Chalilow. Der Armeechor sollte bei den Neujahrsfeiern auf dem russischen Luftwaffenstützpunkt in Hmeimim im Westen Syriens auftreten. Russland hatte im September 2015 in den Bürgerkrieg in Syrien eingegriffen und unterstützt den syrischen Staatschef Baschar al-Assad.

Unter den Insassen befanden sich auch neun Journalisten, zwei ranghohe Beamte sowie Elisaweta Glinka, Leiterin einer bekannten russischen Hilfsorganisation. Glinka wollte der Universitätsklinik von Lattakia Medikamente überbringen, wie der Vorsitzende des russischen Menschenrechtsrat, Michail Fedotow, laut der Nachrichtenagentur Interfax sagte.

Putin ordnet eintägige Staatstrauer an

Der russische Präsident Wladimir Putin ordnete unterdessen eine eintägige Staatstrauer für Montag an. Im Staatsfernsehen sagte er zudem, es werde eine "sorgfältige Untersuchung" zu den Unglücksursachen geben. Es werde "alles getan" werden, um den Angehörigen der Verstorbenen zu helfen. Zuvor hatte Putin die Regierung beauftragt, eine Ermittlungskommission zu bilden. Regierungschef Dmitri Medwedew vertraute die Leitung dieser Kommission Verkehrsminister Maxim Sokolow an. Dieser sollte sich noch am Sonntag zum Unglücksort begeben.

(c) APA

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach Putin ihr Mitgefühl aus. Ihre Gedanken seien bei den Angehörigen der vielen Opfer, teilte Merkel dem Kreml-Chef nach Angaben von Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Sonntag mit. Ähnlich äußerten sich der türkische Regierungschef Binali Yildirim und der US-Botschafter in Russland, John Tefft. Auch Syriens Machthaber Baschar al-Assad kondolierte.

Russland beherrscht die militärische Lage in Syrien, doch sind zuletzt auch die eigenen Opferzahlen angewachsen. Nun muss Moskau den Verlust seines berühmten Armeechores verkraften. Die Tragödie stehe "in keinem Zusammenhang mit dem Vorgehen der russischen Luftwaffe in Syrien", beeilte sich zwar der Außenpolitiker Franz Klinzewitsch vom russischen Föderationsrat mitzuteilen. "Eine 100-prozentige Sicherheit im Luftverkehr kann niemand garantieren." Aber der stellvertretende Kulturchef des Moskauer Stadtverwaltung, Alexander Kibowski, sagte: "Das Alexandrow-Ensemble ist unser Stolz. Dazu gehören viele Soldaten, die in Krisengebieten waren, und auf gewisse Weise sind sie jetzt im Einsatz umgekommen."

Alexandrow-Ensemble gilt als Botschafter

Der weltberühmte Chor gilt als musikalischer Botschafter der russischen Armee. Unter den bei dem Absturz getöteten Mitgliedern war auch der Chorleiter, Generalleutnant Waleri Chilalow. Das ursprünglich aus einem Dutzend Soldaten bestehende Ensemble ist mit den Jahren um ein Orchester und eine Tanzgruppe erweitert worden. Offiziell zählt das Ensemble 186 Mitglieder. Zum Repertoire gehören etwa 2000 Kirchenlieder, russische Volkslieder, Tänze, Märsche, aber auch Hits der Popmusik.

Archivbild: Das Alexandrow-Ensemble im Oktober 2015
Archivbild: Das Alexandrow-Ensemble im Oktober 2015APA/AFP/JACQUES DEMARTHON

(APA/AFP/dpa/Reuters)

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