Südosteuropa: Geheimtreffen zur Zukunft Bosniens

Erweiterungskommissar Olli Rehn
Erweiterungskommissar Olli Rehn (c) AP (Hidajet Delic)
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EU und USA starten Anlauf zu Umbau des Landes. Am Ende sollen die Auflösung des Büros des Hohen Repräsentanten (OHR) und eine Verfassungsreform für Bosnien und Herzegowina stehen.

SARAJEWo.Nicht unzufrieden zeigten sich die politischen Führer von acht Parteien in Bosnien und Herzegowina, als gestern Nachmittag eine von der EU und den USA veranstaltete Konferenz über eine Verfassungsreform beendet war. Zwar wurden keine Beschlüsse gefasst – außer, am 20.Oktober wieder zusammenzutreffen. Doch in der Zwischenzeit sollen die Weichen für die Diskussion der nächsten Sitzung gestellt werden. Am Ende sollen nach dem Willen der schwedischen EU-Präsidentschaft die Auflösung des Büros des Hohen Repräsentanten (OHR) und eine Verfassungsreform für Bosnien und Herzegowina stehen.

„Kleines Dayton“ am Flughafen

Die schon als „kleines Dayton“ eingestufte Konferenz war unter strengster Geheimhaltung kurzfristig auf dem Militärstützpunkt Butmir in Sarajewo anberaumt worden. Nicht einmal der jetzige Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, Valentin Inzko, wusste bis zur letzten Minute, welche Vorschläge von den beiden Unterhändlern Carl Bildt und James Steinberg den bosnischen Parteiführern – unter ihnen dem Vorsitzenden der serbischen Sozialdemokraten, Milorad Dodik, dem Vorsitzenden der „Partei für Bosnien und Herzegowina“, Haris Silajd?i?, und Sulejman Tihi? von der „Partei der demokratischen Aktion“ – unterbreitet werden würden.

Bildt und Steinberg wollten offenbar vermeiden, dass im Vorfeld einer solcher Konferenz die Inhalte zerredet würden.

Kampf um Verfassungsreform

Das Ziel der Konferenz ist nach bisherigen Informationen offenbar, das Büro des Hohen Repräsentanten (OHR) aufzulösen. Damit soll die Herrschaft der internationalen Institutionen in Bosnien beendet und gleichzeitig eine Verfassungsreform durchgesetzt werden, die das Land regierungsfähig macht.

Die bisherige, auf dem Friedensvertrag von Dayton 1995 basierende Verfassung teilt das Land in zwei sogenannte Entitäten: die bosniakisch-kroatische Föderation und die Republika Srpksa (Serbische Republik). Der sich darüber wölbende Gesamtstaat ist schwach, alle Gesetze des Gesamtparlamentes müssen durch die Entitätsparlamente bestätigt werden. Das hat dazu geführt, dass viele Gesetze blockiert werden konnten.

Dass eine Verfassungsreform notwendig ist, stellte schon der Österreicher Wolfgang Petritsch im Jahr 2000 fest, als er als Hoher Repräsentant fungierte. Er war gezwungen, wegen der Blockaden mehrere Gesetze zu oktroyieren.

Bosniens Politiker bleiben stur

Sein Nachfolger Paddy Ashdown verhandelte eine Verfassungsreform, die 2006 verabschiedet werden sollte, und erklärte, jetzt könne das Amt des Hohen Repräsentanten aufgelöst werden. Doch die Reform scheiterte. Und so musste das OHR weitermachen.

Sein Einfluss wurde jedoch durch ständige Forderungen aus Brüssel, das Büro zu schließen, beschädigt. Weder den Hohen Repräsentanten Schwarz-Schilling, noch Miroslav Laj?ák oder Valentin Inzko konnte es gelingen, der Obstruktionspolitik vor allem des Premiers der serbischen Teilrepublik, Dodik, adäquat zu begegnen.

Erste Reaktionen in Bosnien zeigen, dass sich auch nach der Konferenz in Butmir an den Differenzen der bosnischen Parteiführer nichts geändert hat. Dodik erklärte, er brauche keine Verfassungsreform, während Silajd?i? und Tihi? auf eine solche hoffen.

AUF EINEN BLICK

Der Dayton-Vertrag von 1995 beendete den Bosnien-Krieg. Er teilt das Land in eine bosniakisch-kroatische Föderation und die Serbische Republik. Darüber ist ein schwacher Gesamtstaat gestülpt. Da diese Struktur kom-
pliziert ist, ringt man seit Jahren um eine Verfassungsreform.

„Politischer Salon“ in Wien.Der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Valentin Inzko, und sein Vorgänger Miroslav Laj?ák, diskutieren am 15. Oktober unter Leitung von „Presse“-Chefredakteur Michael Fleischhacker über die europäischen Chancen des Balkans. Anmeldung: diepresse.com/politischersalon

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2009)

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