Die Identität des Attentäters, der im Istanbuler Nachtclub Reina um sich schoss, ist den Behörden bekannt, sagt der türkische Außenminister. Der Täter ist weiterhin auf der Flucht. Das Parlament hat unterdessen den Ausnahmezustand um drei Monate verlängert.
Ankara. Die Identität jenes Mannes, der in der Silvesternacht in den Istanbuler Club Reina eingedrungen und 39 Menschen – darunter viele Ausländer – ermordete, ist geklärt. Das gab der türkische Außenminister, Mevlüt ?avuşoğlu, am Mittwoch bekannt, ohne weitere Details zu nennen. Erneut kam es zu mehreren Razzien in der Türkei. Ob sie mit dem Attentat in Verbindung stehen, war vorerst unklar. Demnach hat die Polizei in Izmir 20 Menschen verhaftet, die Verbindungen zu der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hätten; die Verdächtigen sollen hauptsächlich aus Nordafrika und Zentralasien stammen. Die Polizei stellte falsche Pässe und Handys sowie verschiedene Werkzeuge fest.
Der Haupttäter ist allerdings noch auf der Flucht. Türkischen Medienberichten zufolge ist der Verdächtige wahrscheinlich ein Uigure und stammt aus Kirgisistan. Er scheint kampferfahren zu sein – möglicherweise ist er in Syrien ausgebildet worden. Insgesamt haben die türkischen Behörden nach dem Anschlag rund drei Dutzend Verdächtige festgenommen, darunter mehrere Uiguren im Istanbuler Stadtteil Zeytinburnu. Die Ermittler glauben, dass der Täter nach dem Anschlag hierher fuhr und sich von Bekannten Geld lieh, um den Taxifahrer bezahlen zu können.
„Lebensweisen nicht bedroht“
Kurze Zeit nach dem Attentat hat sich der IS dazu bekannt: Damit wolle sich die Terrorgruppe an den Angriffen der Türkei auf den IS in Syrien rächen, insbesondere in der Stadt al-Bab, die Ankara von den IS-Terroristen befreien will. Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte am Mittwoch, dass das Ziel des Anschlags eine Spaltung der Türkei gewesen sei, er „sollte einen Bruch in der Gesellschaft schaffen und sie polarisieren“. Die Spaltung der Gesellschaft werde man „niemals erlauben“, so Erdoğan weiter.
Kritiker werfen der konservativen Regierungspartei aber vor, selbst die Gesellschaft zu spalten und mit Vorschriften und Wortmeldungen in die Privatsphäre der Bürger einzudringen – etwa mit dem Vorschlag, dass eine türkische Frau mindestens drei Kinder auf die Welt bringen sollte. Zuletzt hatte die staatliche Religionsbehörde Silvester- und Weihnachtsfeiern als unislamisch bezeichnet. „In der Türkei ist die Lebensweise von niemandem systematisch bedroht“, so Erdoğan. In der Vergangenheit habe er die Ansichten mancher Menschen kritisiert, sich aber nie in das Leben anderer eingemischt.
Angesichts der Terrorwelle und der Nachwirkungen des gescheiterten Putsches im vergangenen Juli verlängerte das türkische Parlament den Ausnahmezustand erneut um drei Monate, was die beiden linken Oppositionsparteien CHP und HDP scharf kritisierten. Auch bereitet die Regierung mithilfe der ultranationalistischen MHP eine Verfassungsänderung vor, um die Türkei in eine Präsidialrepublik umzuwandeln. Zuletzt hat der Verfassungsausschuss den Entwurf weitgehend gebilligt.
Nächste Woche sollen die Änderungen dem Plenum im Parlament vorgelegt werden. Letztlich müssten 330 von insgesamt 550 Abgeordneten dafür stimmen, damit es zu einem Referendum kommen kann. Gemeinsam kommen AKP und MHP auf 357 Stimmen. Eine Zweidrittelmehrheit haben die Parteien jedenfalls nicht, denn damit könnte die Verfassungsänderung direkt im Parlament durchgewinkt werden – ohne Referendum.
Die Präsidialrepublik würde Präsident Erdoğan mit eindeutig mehr Macht ausstatten. In der derzeitigen Verfassung ist die Rolle des Präsidenten hauptsächlich repräsentativer Natur. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2017)