Trumps Ankläger auf der Flucht

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Der frühere britische Spion Christopher Steele stellte für politische Gegner des neuen Präsidenten ein brisantes Russland-Dossier zusammen. Nun ist er aus Todesangst untergetaucht.

Washington. Die Videoaufnahme eines abartigen Gelages mit Moskauer Prostituierten, Immobiliendeals als Bestechungsmittel, konspirative Treffen von Kreml-Propagandisten mit den Vertrauensmännern des Kandidaten: das 35-seitige Dossier, welches seit Monaten in Washingtoner Journalisten- und Geheimdienstkreisen zirkuliert und Donald Trump die Erpressung durch Russlands Regierung mittels blamabler sexueller und finanzieller Enthüllungen unterstellt, überschattet dessen Amtsantritt.

In seiner ersten Pressekonferenz seit einem halben Jahr verurteilte Trump am Mittwoch die Veröffentlichung des Papiers durch die Nachrichtenwebsite Buzzfeed und den Bericht darüber durch CNN mit scharfen Worten, wies alle Anschuldigungen pauschal zurück und nannte Buzzfeed „einen scheiternden Haufen Müll“ sowie CNN einen Verbreiter von „Fake News“.

Auftrag von Trump-Gegnern

Die Behauptungen in dem Papier sind fürs Erste nicht unabhängig bestätigt oder falsifiziert worden. CNN ging am Dienstag einzig darum mit einem Bericht an die Öffentlichkeit, weil bekannt geworden war, dass FBI, CIA und die National Security Agency (NSA) sowohl Präsident Barack Obama als auch Trump eine zweiseitige Zusammenfassung der Vorwürfe übergeben hatten. Wenn der alte und der neue Präsident im Rahmen ihrer geheimdienstlichen Unterrichtungen über die Möglichkeit in Kenntnis gesetzt werden, dass Moskau belastendes Material gegen den Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in der Hand haben könnte, ist das von Bedeutung für die Bürger.

Ob der Kreml kompromittierendes Material gegen Trump in der Hand hat oder nicht, ist vorläufig unbekannt. Bekannt ist hingegen seit Mittwoch der Name des Verfassers des Dossiers. Christopher Steele war bis zum Jahr 2009 Spion des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6, verbrachte den Beginn der 1990er-Jahre unter Tarnidentität in Russland, ehe er seine Dienstlaufbahn als Leiter der Russland-Abteilung des MI6 in London beendete. Gleich zu Beginn seines Ruhestandes gründete er eine Beratungsfirma namens Orbis Business Intelligence, die sich darauf spezialisierte, vertrauliche Dossiers über Politiker und Geschäftsleute zu erstellen, vor allem in der Einflusssphäre der früheren Sowjetunion.

Im September 2015 beauftragte ein namentlich nicht genannter reicher republikanischer Parteiförderer, der Trumps Aufstieg in den Umfragen mit Entsetzen beobachtete, die Washingtoner Beratungsfirma Fusion GPS, belastendes Material über ihn zu sammeln. Fusion GPS, das vom früheren „Wall Street Journal“-Reporter Glenn Simpson geführt wird, wandte sich an Orbis, und so begannen Steeles Ermittlungen. Nachdem Trump die Nominierung als Kandidat der Republikaner erlangt hatte, erlosch das Interesse republikanischer Strippenzieher an Steeles Trump-Dossier. Dafür griffen die Demokraten eifrig zu. Bis Dezember verfasste er Memoranden über die angeblich zahlreichen Kontakte von Trump-Gewährsmännern mit Vertretern des Kreml. Zu diesem Zeitpunkt erhielt Steele schon lange kein Honorar mehr für seine Arbeit.

Angst vor Litwinenkos Los

Doch seine Besorgnis über das, was ihm von alten Kontakten innerhalb des russischen Geheimdienstes FSB und anderen Regierungsstellen zugetragen wurde, wuchs. Steele übergab sein Material dem FBI. Dort hatte er gute Kontakte: Mit den amerikanischen Justizbehörden und dem britischen Fußballverband hatte er maßgeblich an jenen Ermittlungen gearbeitet, welche die weitreichende Korruption im Fußballweltverband Fifa offenlegten. Doch die langsame Verfolgung der Spur zu Trumps möglichen Verwicklungen in russische Bestechungsoperationen durch das FBI frustrierte Steele. Mittlerweile war auch die CIA alarmiert: Sie ersuchte vom NSA-Sondergericht die Erlaubnis, die elektronische Kommunikation zweier russischer Banken auf etwaige Spuren von Bestechungszahlungen durchsuchen zu dürfen. Nachdem das „Wall Street Journal“ Steeles Namen am Mittwoch veröffentlicht hatte, tauchte er Hals über Kopf unter. Die Angst vor russischen Repressalien gegen ihn ist angesichts des Schicksals eines alten Kontaktes aus MI6-Zeiten nachvollziehbar: Alexander Litwinenkos, jenes 2006 in London von russischen Spionen mit Polonium ermordeten ehemaligen FSB-Agenten, der belastendes Material gegen Russlands Präsidenten, Wladimir Putin, gesammelt hatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2017)

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