Deutschland: "Neue Qualität finanzpolitischer Trickserei"

Kanzlerin Angela Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle
Kanzlerin Angela Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle(c) Reuters (Fabrizio Bensch)
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Union und FDP planen ein 50 Milliarden Euro schweres "Schattenbudget" zur Finanzierung der Sozialkassen. "Die Koalition umgeht die Schuldenbremse mit äußerst schmutzigen Tricks", sagt der Grüne Budgetsprecher.

Das von den künftigen deutschen Regierungspartnern Union und FDP geplante "Schattenbudget" zur Finanzierung der Sozialkassen stößt auf scharfe Kritik. Der rheinland-pfälzische SPD-Finanzminister Carsten Kühl bezeichnete das Vorhaben in der "Süddeutschen Zeitung" als "eine neue Qualität finanzpolitischer Trickserei".

"Äußerst schmutzige Tricks"

Wie die Zeitung in einer Vorausmeldung berichtet, sprach der parteilose Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum von Bilanzfälschung. "Wenn ich in meinem Unternehmen auf diese Weise bilanzieren würde, wäre ich wegen Konkursverschleppung dran." Auch bei den Grünen stoßen die Pläne auf Protest. "Das ist der größte haushaltspolitische Betrug in der deutschen Geschichte", sagte der Grünen-Budgetpolitiker Alexander Bonde. "Union und FDP umgehen die Schuldenbremse mit äußerst schmutzigen Tricks."

Skeptisch zeigte sich auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben. "Schulden dürfen nicht versteckt werden. Wir sollten dazu stehen, dass es Schulden infolge der Krise gibt."

"Darf Verfassung nicht einfach ignorieren"

Kritik kam auch vom Steuerexperten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Alfred Boss. "Es darf nicht sein, dass die Verfassung einfach ignoriert wird." Durch eine Kürzung der Ausgaben sei es möglich, Steuern zu senken und gleichzeitig der Schuldenbremse Rechnung zu tragen. Ab 2011 gilt in Deutschland eine verfassungsrechtliche Bestimmung, wonach das Budgetdefizit sukzessive verringert werden muss. Ab dem Jahr 2016 darf das Defizit 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht mehr übersteigen.

Der Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, bezeichnete das geplante Schattenbudget der neuen Regierung als schwarze Kasse. "Damit stellt sich die Koalition einen Blankoscheck für haushaltspolitisches Fehlverhalten in den nächsten Jahren aus." Union und FDP würden mit diesem Vorhaben ihr finanzpolitisches Ansehen von Anfang an ruinieren. "Die neue Haushaltsparty auf die große Wirtschaftskrise buchen zu wollen, ist ganz schön kühn."

Milliardenschweres Schattenbudget geplant

Union und FDP wollen die Sozialbeiträge mit Hilfe eines milliardenschweren Schattenbudgets stabil halten. Der neue Sonderfonds soll über noch mehr Schulden finanziert werden und bis 2013 Löcher bei der Kranken- und Arbeitslosenversicherung stopfen, die wegen der Wirtschaftskrise entstehen. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" wird dieses Budget bis zu 50 Mrd. Euro umfassen, davon sollen 45 Milliarden in die Bundesagentur für Arbeit fließen. Laut "Frankfurter Rundschau" soll das Schattenbudget ein Volumen von 50 bis 60 Mrd. Euro haben.

(Ag.)

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