Erbitterter Streit um Minarettverbot spaltet Schweiz

(c) APA (Barbara Gindl)
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Regierung, Kirchen und die muslimische Glaubensgemeinschaft fürchten um die Religionsfreiheit und das Image der Schweiz im Ausland.

Bern. Vier Minarette gibt es in der Schweiz, zwei sind in Planung. Nicht besonders viele, gerade wenn man bedenkt, dass die rund 350.000 bis 400.000 in der Schweiz lebenden Muslime eine der größten Glaubensgemeinschaften im Land bilden. Trotzdem wollen die Initiatoren der Volksabstimmung über ein Bauverbot für Minarette von weiteren Gebetstürmen in der Schweiz nichts wissen.

Denn die Minarette, so kritisiert das Initiativkomitee um Walter Wobmann von der rechtsnationalen Schweizer Volkspartei, seien keine kirchlichen Bauten, sondern ein Zeichen religiös-politischer Machtübernahme durch fundamentalistische Muslime. Wenn man diesen jetzt nicht Grenzen setze, sei das Schweizer Rechtssystem bald von der Scharia unterwandert, womit Zwangsehen, Steinigungen und das Tragen der Burka in der eidgenössischen Gesellschaft Einzug halten würden, so Wobmann.

Eigentlich wollten die Initiatoren der Volksabstimmung den Abstimmungskampf erst gestern offiziell eröffnen, doch schon seit Wochen sorgt das dazugehörige Abstimmungsplakat weit über die Schweizer Grenzen hinaus für helle Aufregung. Es zeigt eine verschleierte Muslimin vor raketenähnlichen Minaretten, die die Schweizer Flagge durchbohren. Die Botschaft ist mehr als deutlich: Muslime werden als frauenunterdrückende Terroristen dargestellt, die die Sicherheit der Schweiz bedrohen.

Zahlreiche Städte haben Plakat verboten

Ein Motiv, das zahlreiche Städte und Gemeinden nicht auf ihrem öffentlichen Grund sehen wollen. Unter anderem haben Basel und Lausanne die Aufhängung des Plakats verboten, weil es rassistisch und diskriminierend sei. Andere Städte wie Zürich verurteilten es zwar, entschieden sich aber gegen ein Verbot, um die freie Meinungsäußerung nicht zu beschneiden.

Auch die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) kritisiert das Abstimmungsplakat als diffamierend, weil es eine religiöse Minderheit pauschal als gefährlich verurteile. Es schüre Hass und störe den Religionsfrieden im Land, argumentiert der Präsident der EKR, Georg Kreis. Nicht die Minarette, sondern die Schweizer Volkspartei mit ihrer Kampagne sei eine Gefahr für die Schweiz, fügt Kreis hinzu.

Die Anti-Minarett-Initiative wird außer von der rechtskonservativen SVP und der ebenso rechtspopulistischen Kleinpartei EDU (Eidgenössischen Demokratischen Union) von keiner Partei unterstützt.

Auch die Regierung, die Landeskirchen und natürlich die Vertreter der muslimischen Glaubensgemeinschaft lehnen ein Bauverbot für Minarette ab. Es widerspreche der Religionsfreiheit, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sei, sagt Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Jede Glaubensgemeinschaft habe das Recht, einen für ihre Religion symbolischen Bau zu errichten.

Keine „Symmetrie des Unrechts“

Die Argumentation der Minarettgegner, dass auch der Islam keine Religionsfreiheit kenne und in vielen muslimischen Ländern Christen unterdrückt würden, lässt Widmer-Schlumpf nicht gelten. Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern seien kein Grund für die Schweiz, sich gleich zu verhalten. Es dürfe keine Symmetrie des Unrechts geben.

Während die Vertreter der muslimischen Gemeinschaften in der Schweiz entsetzt und enttäuscht auf die Angstparolen der Minarettgegner reagieren, fürchten politische Beobachter um das Ansehen der Schweiz im Ausland. Das Plakat werde weltweit Karriere machen, meint etwa der Zürcher Soziologe Kurt Imhof. Es werde der Schweiz schaden, genauso wie einst auch ein ähnliches Plakat der Vorarlberger FPÖ gegen Minarette im Ausland sehr schlecht angekommen sei. Nicht zuletzt warnt auch Außenministerin Micheline Calmy-Rey vor feindseligen Reaktionen in der islamischen Welt, die im schlimmsten Fall die Sicherheit der Schweiz gefährden könnten.

Mehrheit der Schweizer gegen Verbot

Tatsächlich schlägt die Anti-Minarett-Debatte hohe Wellen in muslimischen Ländern. So erzählt der Schweizer Korrespondent des arabischen Nachrichtensenders „al Jazeera“ von wütenden Protesten in arabischen Internetforen. Erboste Muslime würden die Eidgenossen beschimpfen und zum Boykott von Schweizer Produkten aufrufen. Andere Stimmen wie der ägyptische Großmufti Ali Gomaa appellieren hingegen an die Muslime im Ausland, sich nicht provozieren zu lassen.

Ob künftig tatsächlich keine neuen Minarette in der Schweiz gebaut werden dürfen, entscheiden die Stimmbürger am 29. November. Derzeit lehnt laut Umfragen eine knappe Mehrheit der Schweizer ein Minarettverbot ab.

AUF EINEN BLICK

Bis zu 400.000 Muslime leben heute in der Schweiz und bilden damit eine der größten Glaubensgemeinschaften. Für sie wurden bisher vier Minarette gebaut, zwei weitere sind geplant. Zu viel, sagt ein Komitee der rechtsnationalen Schweizer Volkspartei (CVP). Sie hat deshalb eine Volksabstimmung über ein Bauverbot für Minarette initiiert. Ein Werbeplakat der Anti-Minarett-Initiative lässt schon seit Wochen die Wogen im In- und Ausland hochgehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2009)

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