Atomstreit: Ahmadinejad spielt weiter auf Zeit

(c) EPA (Abedin Taherkenareh)
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Der Iran will offenbar keine Kompromisse – nun drohen Teheran weitere Sanktionen. Der Iran habe wieder Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit geweckt, erklärte der Chef der Atomenergiebehörde ElBaradei.

Wien.Der Iran lehnt den Kompromissvorschlag von Friedensnobelpreisträger und Chef der Atomenergiebehörde Mohamed ElBaradei zur Lösung des Atomstreits ab. „Wir werden definitiv unser bereits angereichertes Uran nicht ins Ausland senden“, sagte der iranische Außenminister Manouchehr Mottaki nach einem Bericht der Nachrichtenagentur ISNA. Diese Agentur gilt als glaubwürdige, zuverlässige Quelle und als politisch relativ moderat.

Mottakis Gegenvorschlag: Man könnte das angereicherte Uran innerhalb der eigenen Landesgrenzen gegen Brennstäbe für einen Forschungsreaktor austauschen. Sein Land wolle eine neue Gesprächsrunde mit den USA, Frankreich und Russland unter Schirmherrschaft der Atomenergiebehörde.

Dieser Schritt des Iran wird die westlichen Sicherheitsratsmächt–allem voran die USA – verärgern. Denn die USA haben den Chef der Wiener Atomenergiebehörde (IAEA) ElBaradei bei seinem Versuch, einen Kompromiss im Atomstreit mit dem Iran zu erzielen, unterstützt. Nun habe der Iran wieder Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit geweckt, erklärte ElBaradei. Es gab in den USA von Anfang an Befürchtungen, dass der Iran den jüngsten Kompromissplan nützen würde, um weiter auf Zeit zu spielen.

Worum geht es: Als im September bekannt geworden ist, dass der Iran eine geheime Anlage zur Anreicherung von Uran errichtet, wurde der Druck auf das Land erhöht. Die westlichen Mächte beschuldigen die islamische Republik seit Jahren, eine Atombombe bauen zu wollen, und drängen den Iran zur Zusammenarbeit mit der Atomenergiebehörde. Seit Jahren sind deswegen UN-Sanktionen gegen den Iran in Kraft.

Gesichtswahrender Vorschlag

Gleichzeitig sahen die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats eine Kompromiss-Möglichkeit, die alle Seiten das Gesicht wahren ließe: Der Iran braucht dringend Nuklear-Brennstoff für einen Forschungsreaktor, der hauptsächlich der Herstellung von radioaktiven Präparaten für die Krebstherapie dient. Teheran würde den benötigten Nuklearbrennstoff bekommen, wenn es gleichzeitig den größten Teil sein bisher angereicherten Urans abgeben würde. Teheran wäre geholfen, gleichzeitig wäre das bisher angereicherte Uran aus dem Land und der Iran wäre für mindestens ein weiteres Jahr nicht in der Lage, eine Atombombe zu bauen, weil die Nukleartechniker nicht über genügend spaltbares Material zum Bau einer Bombe verfügen würden.

Damit hätte US-Präsident Barack Obama genügend Zeit für Verhandlungen gewonnen. Und auch Israel wäre ruhig gestellt: Israelische Militärs hatten in der Vergangenheit immer wieder mit Luftangriffen gegen iranische Nuklearanlagen gedroht. Es gilt in Israel als Konsens, dass man eine iranische Bombe mit allen – auch militärischen – Mitteln verhindern will.

Wie geht es nun weiter? Der diplomatische Geräuschpegel wird sich bis zur Sitzung des Gouverneursrats der Atomenergiebehörde (IAEA) am 26. November erhöhen. Zuletzt sickerten Dokumente über die Natur der geheimen iranischen Nuklearanlage in Qom durch. Inspektoren der IAEA hatten die Anlage besucht, ein Bericht soll bei der bewussten Sitzung im „Boardroom A“ des „M-Gebäudes“ in der Wiener UNO-City vorgelegt werden.

Weitere Atomanlagen?

In den durchgesickerten Informationen wird gewarnt, dass der Iran über weitere Atomanlagen verfügen könnte. So könnte es für die von Geheimdiensten enttarnte Anlage in Qom, deren Existenz der Iran dann selbst der Atomenergiebehörde meldete, eine Ersatzanlage geben. Baradei selbst beruhigte in einem Interview mit der spanischen Zeitung „El Pais“: „Die jüngst bekannt gewordene Atomanlage gibt aber keinen Anlass zur Besorgnis“, sagte er, weitere Anlagen gebe es seiner Meinung nach nicht.

Der Westen droht Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad mit weiteren Sanktionen, zuletzt hatte US-Präsident Barack Obama bei seiner Reise nach Shanghai und Peking das Sicherheitsratsmitglied China zu einer härteren Linie gegenüber Teheran gedrängt. Der russische Präsident Dmitrij Medwedjew kritisierte vor einigen Tagen Teheran wegen des schleppenden Verhandlungsfortschritts. Lenkt Teheran nicht ein, wird wohl der Sicherheitsrat schärfere Sanktionen erwägen.

AUF EINEN BLICK

Atomkompromiss gescheitert?
Mit der heutigen Stellungnahme des iranischen Außenministers Mottaki, der einen Kompromissvorschlag zur Lösung des Atomstreits ablehnt, droht in der Causa eine weitere Eskalation. Die USA haben zuletzt Russland und auch China zu einer härteren Haltung vis-à-vis Teheran gedrängt, sollte der Iran nicht einlenken.

Am 26. November werden bei einer Sitzung der Wiener Atomenergiebehörde die nächsten Schritte beraten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2009)

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