Russland: Die Handschrift des Doku Umarow

Umarow
Umarow(c) AP
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Islamistische Extremisten bekannten sich zu dem Anschlag auf den Luxuszug. Eigenen Angaben zufolge handelten die Extremisten im Auftrag ihres Rebellenführers Doku Umarow. Es könnte sich auch um einen "Bluff" handeln.

MOSKAU. Knapp vor dem Ende des Jahrzehnts, das in Russland mit dem Krieg gegen die separatistischen und islamistischen Rebellen in Tschetschenien eingeläutet worden ist, kehrt der verschwunden gewähnte Konflikt zurück. Selbst die Regie erinnert an die schlimmsten Phasen der Konfrontation. Am Mittwoch nämlich haben islamistische Extremisten aus dem Nordkaukasus die Verantwortung für den Anschlag auf den Schnellzug Moskau-St. Petersburg übernommen. Bei der Explosion auf dem Bahngleis, dem größten Anschlag in Russland seit fünf Jahren, waren am Freitag etwa 100 Personen verletzt und 26 Menschen getötet worden, darunter einige hochrangige russische Beamte.

Verbindung nach Wien?

Gerade deren Präsenz im Zug sei Grund für die Auswahl dieses Anschlagszieles gewesen, heißt es in dem Bekennerschreiben, das auf einer Website der Separatisten veröffentlicht wurde. Dort wird Russland ein „Sabotagekrieg“ gegen „strategische Ziele“ im Kernland erklärt, bis Moskau die „blutige Besatzungspolitik“ im Nordkaukasus aufgebe. Eigenen Angaben zufolge handelten die Extremisten im Auftrag ihres Rebellenführers Doku Umarow.

Seit 2006, als Moskau die terroristischen Hauptdrahtzieher Schamil Bassajew und Chalim Sajdullajew ermordet hat, gilt der 45-jährige Tschetschene Umarow als meistgesuchter Rebell. Umarow selbst bezeichnet sich als „Emir“ eines von ihm ausgerufenen „Kaukasischen Emirats“, einer fiktiven länderübergreifenden Islamistenvereinigung. Wie Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow im April im „Presse“-Interview gesagt hat, seien Leute aus diesem Emirat auch in Österreich aktiv und in den Tschetschenenmord im Jänner in Wien verwickelt.

Dass die Zugsexplosion in Russland tatsächlich auf Umarows Konto geht, wird aber innerhalb der russischen Sicherheitskräfte durchaus bezweifelt. Vor allem im tschetschenischen Innenministerium wertet man das Bekennerschreiben als „Bluff“ einer marginalisierten Gruppe, die sich wieder ins Gespräch bringen wolle.

„Niemand weiß, wer dahintersteckt“, sagt einer der besten Kaukasus-Kenner, Alexej Malaschenko vom Moskauer Carnegie-Zentrum, auf Anfrage. Umarow sei zwar der „einflussreichste Rebellenführer“, habe aber längst nicht die Autorität und den Kopf wie etwa seinerzeit ein Bassajew. Das „Kaukasische Emirat“ sei nicht besonders ernst zu nehmen. Über die Zahl der Anhänger Umarows würden Schätzungen von 50 bis 5000 kursieren.

Malaschenko geht aber wie die Ermittler davon aus, dass das Attentat – ebenso wie der Anschlag auf dieselbe Zugstrecke im Jahr 2007 und eine Zugsexplosion in Dagestan diese Woche – einen nordkaukasischen Hintergrund hat. Die Ermittler fahnden nach vier Kaukasiern und vermuten den zu islamistischen Terroristen übergelaufenen Exsoldaten Pawel Kossolapow als Drahtzieher.

In Gewalt versunken

Nach zwei verheerenden Kriegen hatte sich die Situation in Tschetschenien in den vergangenen Jahren beruhigt. Stattdessen versanken die nordkaukasischen Republiken Inguschetien und Dagestan in Gewalt. Selbst Staatspräsident Dmitrij Medwedjew hat kürzlich in einer Rede den Kaukasus als größtes innenpolitisches Problem bezeichnet und die baldige Ernennung eines neuen Bevollmächtigten für die Region angekündigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2009)

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