Ein Horrorjahr für Migranten: Missstände in EU-Staaten

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Die Schattenseiten der weltweiten Migrationsströme 2009 beleuchtet ein Bericht der US-Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch". Migranten seien in vielen Ländern Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

Wien/New York (som). „Ich bat sie, mich nicht nach Afghanistan zurückzuschicken, denn dort hatte ich Probleme. Ich bat sie, mich hierzubehalten. Aber es war ihnen egal.“ Zunächst waren es griechische Behörden, die den 17-jährigen afghanischen Jungen außer Landes schafften, dann türkische. Abgeschoben in sein Heimatland erwartet den Burschen mit seinen „Problemen“ eine unsichere Zukunft – ein Fall von vielen.

Die Schattenseiten der weltweiten Migrationsströme im Jahr 2009 beleuchtet ein nun veröffentlichter Bericht der US-Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ (HRW). Migranten, so ein Ergebnis des Papiers, seien in vielen Ländern in besonderem Maße Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt – selbst, wenn sie legal unterwegs sind. „Migranten gelten oft als die modernen Helden wegen ihrer wichtigen Überweisungen in die Heimatländer“, schreiben die Autoren. Gleichzeitig würden sie häufig für Verbrechen und demografischen Wandel verantwortlich gemacht.

Auch ein paar Mitgliedstaaten der Europäischen Union kommen bei HRW nicht gut weg. So würden etwa griechische Behörden unbegleitete Kinder und Jugendliche häufig als „einfache“ illegale Migranten betrachten, ohne ihre Fälle genau zu prüfen. Die Polizei inhaftiere unbegleitete Jugendliche bis zu drei Monate – und zwar in denselben Räumlichkeiten wie Erwachsene, was die Gefahr körperlichen oder sexuellen Missbrauchs mit sich bringe.

Missstände auch in Frankreich: Dort würden aufgegriffene Kinder auf dem Flughafen Charles de Gaulle in der Transitzone festgehalten – und mitunter gezwungen, ihnen unverständliche Dokumente für ihre Abschiebung zu unterschreiben. Auch Italien, das Seeleuten das Retten von Flüchtlingsbooten im Mittelmeer verbieten wollte, macht sich bei den Menschenrechtlern nicht beliebt. Die nach Libyen abgeschobenen Bootsflüchtlinge lebten in „überfüllten und unhygienischen Verhältnissen bei brutaler Behandlung“.

Reisepass einfach abgenommen

Auch andere, (halb-)legale Aspekte der Migration nimmt HRW unter die Lupe – etwa Hausarbeit von Migrantinnen, die meist im rechtsfreien Raum passiert, oder erzwungene Arbeitsmigration, etwa nach Russland. „Ob du arbeiten willst oder nicht, du wirst arbeiten. Sonst wirst du abgeschoben“, bekam Siarkhon Tabarov von seinem Arbeitgeber zu hören.

Tabarov wurde zur Arbeit in Russland gezwungen, nachdem man ihm seinen Pass einfach abgenommen hatte. Schlussfolgerung von HRW: mehr rechtliche Sicherheit für Migranten auf dem Arbeitsmarkt – und, entgegen dem Trend, eine eingehende Berücksichtigung der individuellen Migrations- und Fluchtgeschichte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2009)

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