Iran: Mysteriöser Mord an Atomforscher

(c) AP (Mona Hoobehfekr)
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Bei einer Bombenexplosion starb ein iranischer Nuklearwissenschaftler, der der Opposition nahe stand. Das Regime macht Israel und die USA verantwortlich. Die USA bezeichnen den Vorwurf als "absurd".

Am Boden liegt zerbrochenes Glas – Spuren der Detonation, die am Dienstag das Viertel Qeytariyeh im Norden der iranischen Hauptstadt Teheran erschüttert hat. Irans internationaler Fernsehsender Press-TV zeigt nicht nur die geborstenen Fensterscheiben und Trümmer. Auf den Bildern ist auch zu sehen, wie offenbar ein Leichensack abtransportiert wird. Das Opfer: Professor Massoud Ali-Mohammadi, Vortragender an der Universität Teheran und Atomwissenschaftler. Die Attentäter hatten ein mit Sprengstoff präpariertes Motorrad neben seinem Auto abgestellt, so Press-TV.

Irans Regime beschuldigte umgehend die USA und Israel, den Wissenschaftler ermordet zu haben, um das iranische Atomprogramm zu sabotieren. In dem Anschlag zeige sich „das Dreieck des Bösen aus dem zionistischen Regime, Amerika und ihren Agenten“, meinte ein Sprecher des Außenministeriums. „Solche Terrorakte werden aber den wissenschaftlichen und technologischen Prozess nicht aufhalten.“ Die USA bezeichneten die Vorwürfe als „absurd“. Dies sei völlig aus der Luft gegriffen, sagte der stellvertretende Sprecher des US-Außenministeriums, Gordon Duguid.

Das Regime feierte Ali-Mohammadi als Märtyrer und „überzeugten Verfechter der Islamischen Revolution“. Was es nicht sagte: Das Mordopfer stand der Opposition nahe. Die iranische Zeitschrift Ayande rief in Erinnerung, dass Ali-Mohammadi zu jenen Wissenschaftlern gehörte, die vor der Präsidentenwahl den Oppositionskandidaten Mir Hussein Moussavi unterstützten. Ein Indiz dafür, dass die Hintermänner des Anschlags nicht in Tel Aviv und Washington sitzen, sondern vielleicht in der Machtzentrale in Teheran.

Abrechnung mit Bahai

Irans Regime nutzt den Kampf gegen die Opposition derzeit für eine Abrechnung mit den Bahai, einer seit Jahren unterdrückten religiösen Minderheit. Am Dienstag begann der Prozess gegen sieben Führungsmitglieder der Bahai. Ihnen wird zur Last gelegt, für Israel gearbeitet zu haben. Ein Anschlag als „Beweis“ für die Umtriebe israelischer Agenten passt dem Regime zum jetzigen Zeitpunkt genau in den Propagandaplan.

Brennende Labors

Oder wurden die Attentäter tatsächlich von Israel, den USA oder einem anderen westlichen Land geschickt? „Gegen Irans Atomprogramm läuft derzeit eine Sabotageaktion. Und ich sehe den Anschlag im Zusammenhang damit“, meint der israelische Journalist Ronen Bergman im Gespräch mit der „Presse“. Der Aufdeckerjournalist recherchiert schon länger zu Geheimoperationen gegen Irans Regime und verfasste dazu das Buch „The Secret War with Iran“.

Teheran habe in der Vergangenheit den israelischen Geheimdienst Mossad für die Explosion von Zentrifugen in Natanz verantwortlich gemacht, für abgestürzte Computer und Labors, die in Flammen aufgingen, so Bergman. Zudem seien zwei iranische Wissenschaftler verschwunden.

Dazu, wer hinter dem Attentat am Dienstag stecken könnte, sagt der Journalist: „Natürlich fällt der Verdacht sofort auf Israel. Aber andere Länder wie Deutschland und Frankreich haben noch größeres Interesse an derartigen Operationen. Um nämlich Israel von Luftangriffen gegen Irans Atomanlagen abzuhalten. Der Ermordete sei von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA als einer der Wissenschaftler genannt worden, die sie befragen wollte. Irans Regime habe aber die Befragungen nicht zugelassen. Die IAEA wollte das auf Anfrage der „Presse“ weder bestätigen noch dementieren.

Schon seit Jahren gibt es Gerüchte, Israel oder die USA könnten versuchen, Irans Atomprogramm durch Sabotage zu behindern. Eine der „Waffen“ in diesem Undercover-Krieg: das Ausschalten von Wissenschaftlern. Das US-Magazin „Atlantic Monthly“ hat bereits im Dezember 2005 mit einem Bericht für Aufsehen gesorgt, in dem über diese „verdeckte Option“ spekuliert wurde. Und es wurde auf Parallelen in der Geschichte verwiesen: So habe etwa Israels Geheimdienst 1962 mit Attentaten Ägyptens Aufrüstung mit ballistischen Raketen verhindert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2010)

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