Schweiz nimmt zwei Ex-Guantanamo-Häftlinge auf

Schweiz nimmt zwei Ex-Guantanamo-Häftlinge auf
Schweiz nimmt zwei Ex-Guantanamo-Häftlinge auf (c) Reuters (Toby Melville)
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Der Schweizer Bundesrat gibt grünes Licht für die Aufnahme von zwei uigurischen Ex-Guantanamo-Insasser. Beide verbrachten fast acht Jahre im US-Gefangenenlager. China protestiert.

Der Schweizer Kanton Jura kann zwei uigurische Ex-Guantanamo-Häftlinge aufnehmen. Trotz Warnungen aus China hat der Bundesrat (Regierung) am Mittwoch grünes Licht für den Transfer gegeben. Die Brüder werden seit bald acht Jahren ohne Anklage und Urteil im US-Gefangenenlager auf der Insel Kuba festgehalten. Der Bundesrat begründete die Aufnahme mit humanitären Überlegungen, wie Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf vor den Medien ausführte. "Wir haben selbstverständlich eine politische Interessenabwägung vorgenommen", sagte sie mit Blick auf China, das die Schweiz mehrfach vor der Aufnahme der Uiguren gewarnt hatte. Die muslimischen Uiguren werden in der chinesischen Provinz Xinjiang seit Jahrzehnten unterdrückt.

"Mutige Entscheidung"

Es sei zu erwarten, dass China mit der Entscheidung unzufrieden sein werde, sagte Widmer-Schlumpf. Der Bundesrat habe sich aber nicht für oder gegen einen Staat entschieden, sondern für die humanitäre Tradition. "Wir sind weiterhin bemüht um gute Beziehungen zu China." Das ostasiatische Land verurteilte den Bundesratsbeschluss postwendend. Er entspreche "grundlegenden Interessen beider Völker nicht", sagte ein Sprecher der chinesischen Botschaft ohne weitere Begründung.

Er sei "sehr glücklich" über den Bundesratsentscheid, sagte der US-Gesandte für die Schließung von Guantanamo, Daniel Fried, auf der SRG-Internetplattform Swissinfo. Der Entscheid sei "mutig". Die Schweiz sei in der Sache "sehr professionell und sehr sorgfältig" vorgegangen.

Fälschlich beschuldigt

Aufgenommen werden die 34- und 46-jährigen Brüder vom Kanton Jura, dessen Regierung am Dienstag dem Bundesrat definitiv zusagte. Eine Prüfung mittels Akten, DNA, Fingerabdrücken und psychologischen Tests hatte keine Hinweise geliefert, dass die Männer in Verbindung zu terroristischen Kreisen standen oder stehen, wie Widmer-Schlumpf ausführte. Der Gesundheitszustand der Männer, die im Gefangenenlager auf Kuba während Jahren Folter und Misshandlung ausgesetzt waren, habe sich nach einer Überprüfung zudem als "unproblematisch" herausgestellt.

Schließlich wurde auch die Möglichkeit der Integration der Brüder geprüft. Widmer-Schlumpf: "Beide sind nicht nur fähig, sich zu integrieren, sondern wollen auch die Sprache lernen und vor allem einer Arbeit nachgehen." Sie mussten sich zudem verpflichten, die Werte der schweizerischen Bundesverfassung zu respektieren und sich ans geltende Recht zu halten. Alle zwei Monate erwartet der Bund vom Kanton Jura einen Bericht über die Integration der Männer. Die jurassische Regierung reagierte mit Genugtuung auf den Entscheid des Bundesrats. Die Kosten für die Aufnahme übernehmen "zu einem guten Teil" die USA, wie Widmer-Schlumpf weiter sagte. Den Rest bezahlt die Eidgenossenschaft. Der Bundesrat geht allerdings davon aus, dass die Männer "dank ihren handwerklich soliden Berufen" rasch selber für ihren Lebensunterhalt sorgen können.

Menschenrechte vor Wirtschaftsinteressen

Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ist der jüngere der Männer gelernter Kleiderverkäufer. Sein Bruder arbeitete als Schuhmacher. Die GfbV begrüßte die Entscheidung des Bundesrates. Er habe für die Menschenrechte statt für die Interessen der Schweizer Exportindustrie entschieden, schrieb sie in einer Mitteilung.

Amnesty International Schweiz begrüßt es ebenfalls, dass der Bundesrat die humanitären Anliegen höher gewichtet hat. AI hofft nun, dass die Schweiz mit der Aufnahme von insgesamt drei ehemaligen Guantanamo-Häftlingen in anderen europäischen Ländern ein Signal setzen konnte. Wann die beiden Uiguren in der Schweiz eintreffen werden, ist noch nicht bekannt. Der Bundesrat geht davon aus, dass es in einem Monat soweit sein dürfte. Solange hatte es auch gedauert, bis der usbekische Ex-Guantánamo-Häftling nach dem positiven Entscheid der Landesregierung Mitte Dezember in Genf eingetroffen war.

Das Dossier "Guantanamo" ist für den Bundesrat mit der Aufnahme der beiden Uiguren vorläufig abgeschlossen, wie die Justizministerin sagte. "Jedenfalls aus humanitärer und politischer Sicht."

(Ag.)

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