Satiriker Grillo: "Berlusconi ist so gut wie politisch tot"

Beppe Grillo
Beppe Grillo(c) AP (Pier Paolo Cito)
  • Drucken

Statt wie geplant gegen das Akw Mochovce zu polarisieren, erklärt der italienische Satiriker Beppe Grillo den Wienern seine Heimat und wettert gegen den ansteckenden "Berlusconismus".

WIEN. „Schön habt ihr's hier. Wirklich alles wundervoll. Außer dem Klima. Und dem Essen“, begrüßt Italiens Starkomiker Beppe Grillo sein Wiener Publikum. Schallendes Gelächter, tosender Applaus. Der Wappensaal des Rathauses, wo der 61-Jährige an einer Anti-AKW-Mochovce-Veranstaltung mit Umweltstadträtin Ulli Sima teilnimmt, ist zum Bersten voll. Atomgegner sind hier, vor allem aber Beppe-Grillo-Fans. Viele Italien-Liebhaber sind dabei. Und etliche Exilitaliener.

Denn Beppe Grillo ist mehr als nur regierungskritischer Kabarettist: Er ist eine politische Kultfigur. Ein Phänomen: Sein Weblog www.beppegrillo.it zählt zu den meistgelesenen, und zwar weltweit. Kampf gegen das korrupte Parteiensystem, für Moral und Ökologie sind seine Themen. Er schaffte es, in kürzester Zeit tausende Demonstranten zu mobilisieren. Inzwischen gehört der vollbärtige, etwas übergewichtige Satiriker zur lautesten Stimme der Opposition in Italien.

Sehr schnell wird das Anti-Atom-Event in Wien zum Anti-„Berlusconismus“-Abend. „Es ist schwierig, Italien zu erklären. Da haben wir einen Kulturminister, der Liebesgedichte für unseren Zwergenpremier schreibt. Da haben wir eine Ministerin, die aussieht wie ein Pin-up-Girl. Und 100 vorbestrafte Parlamentarier, die eigentlich im Gefängnis sitzen sollten“, witzelt der gebürtige Genuese. „So sind wir. Wir vermischen gern die Dinge, werfen alles in einen Topf: Mafia, Geld, Sex, Politik. Und Vatikan natürlich.“

Doch sobald es um seine „Mission“ geht, wird der Komiker ernst. Vor einigen Monaten hat er eine eigene Bewegung gegründet, die wird an den Regionalwahlen im Frühling teilnehmen. Die Listen werden über Grillos Blog zusammengestellt. Direkte „Online“-Demokratie, sozusagen: „Das Netz macht es möglich: Eine Demokratie von unten, die transparente Demokratie aller Bürger, die sich von keinem Politiker, keiner Partei vertreten fühlen. Eine Politik der Ideen, nicht der Ideologien!“, ruft der Künstler begeistert ins Publikum. Heftiger Applaus. Grillo klingt gar nicht mehr wie der freche, zynische Performer von eben.

Politikern und einigen Medienleuten in Italien ist Grillos ständig wachsender Einfluss unheimlich. Von Demagogie ist die Rede. „Alle sind gegen uns. Aber uns kann man nicht mehr stoppen“, sagt der Satiriker zur „Presse“. „Ich musste einfach etwas gegen die Situation in Italien tun. Für mich. Für meine Kinder.“ Eine Politkarriere strebe er nicht an: „Ich persönlich werde nie kandidieren. Das sollen die Jungen tun. Ich habe ihnen nur den Weg geebnet.“

„Ansteckend wie ein Virus“

In Wien wird Grillo als Retter gefeiert. „Beppe, seit drei Jahren bin ich hier. Ich will heim. Aber in ein anderes Italien. Was kann ich tun, damit sich etwas ändert?“, fragt ein etwa 30-Jähriger. Die Antwort seines Idols: „Wir brauchen Leute wie dich! Komm zurück! Berlusconi ist so gut wie politisch tot.“

Irgendwann wird es dem Komiker dann doch zu ernst. Verschmitzt schaut er ins Publikum. „Passt auf, Österreicher! Wir Italiener sind ansteckend! Wie ein Virus! Nicolas Sarkozy ist ein Beispiel. Der war bei uns auf Urlaub. Kaum ist er heimgekehrt, hat er seinem Sohn einen Topjob verpasst.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.