Parlament gestürmt: Notstand in Bangkok

Thailand Notstand Bangkok ausgerufen
Thailand Notstand Bangkok ausgerufen(c) AP (Wason Wanichakorn)
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Anhänger des gestürzten Premiers Thaksin stürmten das Parlamentsgelände. Premier Abhisit hatte das Gelände bereits zuvor mit einer Eskorte verlassen, sein Stellvertreter und mehrere Minister flüchteten mit Hubschraubern.

Bangkok. Die Lage spitzt sich zu: Nach wochenlangen Protesten gegen seine Regierung hat Thailands Premier Abhisit Vejjajiva am Mittwochabend den Notstand über die Hauptstadt Bangkok und die angrenzenden Provinzen verhängt. Versammlungen von mehr als fünf Personen sind damit verboten. Die Armee übernimmt Schlüsselfunktionen im Sicherheitsapparat.

Abhisit traf seine Entscheidung, nachdem die „Rothemden“, Anhänger des 2006 bei einem Armeeputsch gestürzten Expremiers Thaksin Shinawatra, ihre Proteste drastisch verschärft hatten. Tausende von ihnen hatten gegen Mittag die vor dem Parlament postierten Polizisten und Soldaten zurückgedrängt. Einige Demonstranten brachen durch ein Eingangstor, hunderte weitere Rothemden drangen auf das Gelände vor. Die Abgeordneten, die sich zu einer Plenarsitzung versammelt hatten, mussten über eine Leiter auf das Dach des Gebäudes fliehen.

Premier Abhisit hatte das Gelände bereits zuvor mit einer Eskorte verlassen, sein Stellvertreter und mehrere Minister wurden von der Armee per Hubschrauber in eine Militäreinrichtung im Norden der Stadt ausgeflogen. Nach etwa 20 Minuten zogen sich die Demonstranten zurück, die Lage beruhigte sich wieder.

Die Rothemden fordern den Rücktritt von Premier Abhisit und Neuwahlen. Sie werfen der Regierung vor, sie sei lediglich ein Deckblatt für die Armee, die hinter den Kulissen weiter die Strippen ziehe. Vermutlich deswegen hat sich die Armee aus der gegenwärtigen politischen Diskussion in der Öffentlichkeit betont herausgehalten und mehrfach ihre Unabhängigkeit betont. Doch tatsächlich sehen viele Beobachter in der Armee das größte Hindernis für Neuwahlen.

Militär fürchtet frühe Wahlen

Denn immer noch ist die Verfassung in Kraft, die die Militärjunta nach ihrem Putsch gegen Premier Thaksin 2006 verabschiedet hat. Diese vielfach kritisierte Verfassung ist voller formeller Mängel, die durch Verfassungszusätze ausgebessert werden müssten. Abhisit hat angekündigt, dies bis zu den in Aussicht gestellten Neuwahlen Ende des Jahres zu tun.

Zudem steht eine für die Armee entscheidende Personalie an: Armeechef Anupong Paochinda geht im Oktober in den Ruhestand, den Nachfolger bestimmt die Regierung. Die Armee wird nicht riskieren, dass bis dahin durch vorgezogene Wahlen Politiker aus dem Umfeld Thaksins – also ihre entschiedenen Gegner – an die Macht kommen und eine ihnen genehme Armeeführung installieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 8. April 2010)

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