Russland: Hatz auf Moskaus Bürgermeister

Russland Hatz Moskaus Buergermeister
Russland Hatz Moskaus Buergermeister(c) AP
  • Drucken

Der Kreml bläst zur Hatz auf Moskaus Langzeit-Bürgermeister Juri Luschkow. Wird er aus dem Amt gedrängt, hat er bald mehr Zeit für Kitzbühel-Besuche mit seiner Frau Jelena Baturina.

Unermüdlich bringen Bienen Goldmünzen in den Stock und füllen damit die Waben. In weiße Schutzkleidung gehüllt, sieht ihnen der Imker aufmerksam zu. Und strahlt förmlich vor Glück. Moskau als Bienenhaus, Hobby-Züchter und Bürgermeister Juri Luschkow als Stadtimker. Das russische Forbes-Journal versuchte kürzlich zu versinnbildlichen, wie Macht funktioniert und Geld zum Fließen bringt. Etwa Anfang Mai, als Luschkow gerade 1,5 Millionen Dollar in die Vertreibung der Regenwolken am Feiertag des Sieges über Nazi-Deutschland investierte. Peanuts freilich in einer Stadt mit 62 Dollarmilliardären, zu denen als einzige Frau Luschkows Gattin Jelena Baturina gehört.

Als Zeichen der Volksnähe trägt ihr 73-jähriger Mann oft eine schwarze Schirmmütze. Auch dass er Schwulen- und Lesbenparaden verbietet, trifft den Mainstream. Ebenso, dass er die ukrainische Hafenstadt Sewastopol als „eigentlich russisch“ bezeichnete. Im Vergleich wurde seine Idee, Stalinbilder in Moskau aufzuhängen, weniger goutiert. Überhaupt können die Moskauer nicht immer genau sagen, warum sie Luschkow mögen. Die Russen lieben ihre Herrscher aus Tradition. Oder nehmen sie vielmehr in Kauf, weil ihnen ob ihrer Machtfülle nicht beizukommen ist.

Luschkow, der Moskau ein neues Antlitz verpasste, hält sich seit knapp zwei Jahrzehnten an der Spitze der Stadt. Glaubt man russischen Medien, so geht diese Ära nun aber zu Ende. „Das Amt ist eine Schlüsselposition im russischen Politolymp“, sagt der Politologe Mark Urnow. Moskau ist ein Staat im Staat. Etwa ein Zehntel der 143 Millionen Einwohner des Landes lebt hier. Aber mehr als 80 Prozent der Geldströme fließen durch das Zentrum. Die Intrige um den Bürgermeisterposten sei daher auch ein Schlüsselmoment für die Präsidentenwahl 2012, meint Urnow: „Der Kreml hat eine Kampagne gegen Luschkow gestartet.“

Gemocht hat der Kreml den Stadtfürsten nie so richtig. Schon als Präsident verhehlte Wladimir Putin seine Abneigung gegenüber Luschkow nicht, biss sich aber an ihm die Zähne aus. Nicht nur Schläue rettete ihn. Luschkow sicherte den Machthabern und ihrer Hauspartei „Einiges Russland“ bei föderalen Wahlen auch das gewünschte Ergebnis. Zentrale Säule seiner Macht aber ist, „dass er und seine Leute gigantische Mengen an Eigentum kontrollieren“, wie Urnow erklärt.

Kritik nicht ratsam. Luschkow wird vorgeworfen, ein System der Günstlingswirtschaft und Korruption errichtet zu haben. Wer konkreter wurde, bekam die Macht zu spüren. Als Ultranationalist Wladimir Schirinowski kürzlich die Moskauer Verwaltung als „Mafia“ bezeichnete und hinzufügte, dies alles sei „mit dem Bürgermeister verbunden“, wurde er zu einer Schadenersatzzahlung verurteilt. Und wer äußert, die Bau- und Immobilienlöwin Baturina verdanke ihren Erfolg familiären Kontakten, riskiert, vor Gericht zu landen. Baturina selbst landet mit Ehemann und Entourage seit Jahren gern in Kitzbühel, nach der Übersiedelung von der vorigen Lieblingsdestination Schladming, wo auch die Putins gerne urlaubten. In Kitzbühel hat die Moskauerin unter anderem den Luxus-Golfplatz Eichenheim erworben und empfängt mittlerweile in ihrem neuen Fünf-Sterne-Hotel „Grand Tirolia“. Bei der Weihnachtsfeier Anfang Jänner fehlte die Tiroler Landesprominenz genauso wenig wie die dort urlaubende internationale Schickeria.

In Moskau hat sich ihr Gatte gerade in Eigentumsfragen Feinde gemacht. Dazu kommt, dass er bei der Wohnraumbeschaffung säumig sei, wie ihn Putin verbal ohrfeigte. Neulich zog sich Luschkow sogar die Rüge der staatlichen Kanäle zu, weil er im Stadtentwicklungsplan Verkehrsentwicklung und Ökologie eigenmächtig vernachlässigte und überhaupt die Stadt laut eines Moskauer Szenegaleristen wie „sein eigenes Gartenbeet“ behandelt.

Putins Nachfolger im Kreml, Dmitrij Medwedjew, läutete die Zeit für Jüngere ein und hat eine Reihe alter Funktionäre von den Gouverneurssesseln gestoßen. Um dem mächtigen Luschkow beizukommen, wird nun offenbar eine Medienfront aufgebaut. „Machtwechsel in Moskau: Faktoren und Szenarien“ nennt etwa die Agentur für politische Kommunikation ihren jüngsten Bericht. Doch der Kreml will im wichtigen Moskauer Elektorat nichts riskieren, wie Nikolaj Petrow vom Moskauer Carnegie-Institut erklärt: „Alle sind bereit, ihre Kräfte zum Sturz Luschkows zu bündeln. Aber sobald die Frage nach einem Ersatz auftaucht, sind die Widersprüche da.“ Die Elite habe keine Figur, „die für die wichtigsten Clans akzeptabel wäre“. Gut möglich daher, dass Luschkow zumindest bis zum Ende seiner fünften Amtszeit bleibt und die Bienenzucht weiterhin nur nebenbei betreiben kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.