66 UN-Mitgliedstaaten betreiben geheime Gefängnisse

UNMitgliedstaaten betreiben geheime Gefaengnisse
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Ein UN-Bericht belegt das Ausmaß staatlicher Menschenrechtsverstöße. In mindestens 66 der 192 UN-Staaten wurden seit dem 11. September 2001 mehrere Tausend Personen illegal inhaftiert.

Genf. In mindestens 66 der 192 UN-Staaten wurden seit den Anschlägen vom 11. September 2001 unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung mehrere Tausend Personen illegal und unter klarem Verstoß gegen internationale Menschenrechtsnormen in geheimen Gefängnissen inhaftiert und dort oftmals gefoltert. Viele dieser Geheimgefängnisse existieren bis heute.

Dies belegt der erste internationale Untersuchungsbericht zu Geheimgefängnissen, der vor wenigen Tagen im UN-Menschenrechtsrat in Genf diskutiert wurde.

Menschen werden willkürlich festgenommen oder verschwinden einfach, sie werden in Geheimgefängnissen inhaftiert und dort kriminellen Verhörmethoden unterzogen und gefoltert. All das war auch schon in früheren Jahrhunderten üblich. Doch seit den Anschlägen vom 11. September 2001 begehen mehr Staaten diesen schweren Verstoß gegen internationale Menschenrechtsnormen als je zuvor.

Fast immer geschieht dies unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung. Unter den 66 Ländern, für die die Existenz von Geheimgefängnissen mit dem 220 Seiten starken UN-Bericht nun eindeutig belegt sind, befinden sich die drei ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates China, Russland und USA sowie Afghanistan, Indien, Pakistan und zahlreiche afrikanische Staaten. Aus Europa stehen Polen, Rumänien, Bosnien-Herzegowina und Litauen auf der Liste.

Verbrechen gegen die Menschheit?

Der Österreicher Manfred Nowak, UN-Sonderberichterstatter für Folter und einer der vier Autoren des Berichtes, sieht mit dem jetzt dokumentierten globalen Ausmaß möglicherweise sogar den Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschheit erfüllt. Das Ausmaß ist vielleicht sogar noch größer als der Bericht enthüllt. Denn von den 192 UN-Staaten, denen Nowak und seine drei Ko-Autoren Fragebogen zugesandt hatten, antworteten lediglich 44. Und auch von diesen 44 zumindest teilweise kooperationsbereiten Staaten räumte kein einziger die Existenz von Geheimgefängnissen ein.

Die Autoren des Berichtes waren daher bei ihren Recherchen vielfach auf regierungsunabhängige Quellen angewiesen. Viele Länder verweigerten ihnen allerdings jeglichen Zutritt.

Russland und Pakistan forderten Zensur

In der Debatte des Menschenrechtsrates bestritten China, Russland, Pakistan, Sri Lanka, Syrien sowie Algerien und weitere afrikanische Staaten die in dem Bericht belegte Existenz von Geheimgefängnissen auf ihrem Territorium. Den vier Autoren des Berichts warfen sie unsaubere Recherche und die Überschreitung ihres Mandates vor. Denn sie hätten eigenmächtig, ohne Auftrag des Menschenrechtsrates agiert.

Mit diesem formalen Vorwurf hatten Pakistan und andere Länder im März verlangt, die ursprünglich schon damals vorgesehene Beratung des Berichts wieder von der Tagesordnung zu nehmen. Der eher schwache belgische Präsident des Menschenrechtsrates gab diesem Ansinnen nach. Der Bericht wurde auf die Juni-Sitzung verschoben.

Zwischenzeitlich verlangten Russland und Pakistan vergeblich, den Bericht auch von der Webseite der Vereinten Nationen entfernen zu lassen und eine endgültige Absage seiner Behandlung zu erwirken. Dieser Versuch der Zensur scheiterte aber am Widerspruch unabhängiger Menschenrechtsorganisationen.

Uneingeschränkte Anerkennung erhielten die Autoren des Berichts nur von ganz wenigen Staaten, wie Schweden, Österreich, Kanada und Südafrika.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2010)

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