Ukraine: Eilbeschlüssen festigen die Macht

(c) EPA (Dmitriy Khrupov)
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Während andernorts die Politik in die Sommerpause gegangen ist, demonstriert die neue Führung in der Ukraine Hyperaktivität. Die Regierung in Kiew zeigt großen Reformeifer und rührt auch an politische Freiheiten.

KIEW. Während andernorts die Politik in die Sommerpause gegangen ist, demonstriert die neue Führung in der Ukraine Hyperaktivität. Dies ganz abgesehen davon, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) am Mittwochabend noch über die Zuerkennung eines weiteren Stützungskredites über 14,9 Milliarden Dollar entscheiden wollte, der den Weg aus der tiefen Rezession und auch unpopuläre Maßnahmen ermöglichen würde.

Staatspräsident Viktor Janukowitsch selbst hat am Dienstag noch schnell ein Gesetz zur Justizreform unterzeichnet. In einem Aufwasch hat er auch das Gesetz für die Regionalwahlen im Oktober abgeändert, sodass Parteiblöcke generell und Parteien, die zum Wahltag jünger als ein Jahr sind, vom Urnengang ausgeschlossen werden. Die westlich orientierte Opposition, die von dem Gesetz am stärksten betroffen ist, spricht von einem weiteren Angriff auf die ukrainische Verfassung.

Nico Lange, Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew, geht noch weiter: „Die Unsitte, dass in der Ukraine knapp vor Urnengängen Wahlgesetze geändert werden, setzt sich fort“, sagt er zur „Presse“. Auch Lange spricht von einer Verletzung demokratischer Grundrechte, zumal Bürgermeisterkandidaten künftig nur noch über Parteien ins Rennen gehen dürfen: „Die etablierte Partei der Regionen versucht, sich einzumauern.“

Kommunalwahl verschoben

Seit Janukowitsch die westorientierten Helden der Orangen Revolution bei der Präsidentenwahl im Februar vom Sockel gestoßen hat, stellen er und seine im russischsprachigen Osten dominante Partei der Regionen das Land mit immer neuen Eilbeschlüssen vor vollendete Tatsachen. „In ihrer Hochburg im Osten waren sie immer Monopolisten“, erklärt der politische Publizist Mykola Rjabtschuk: „Das wollen sie nun schnell auf das ganze Land übertragen.“

Wo die Opposition gespalten und durch schwache Regierungstätigkeit diskreditiert ist, haben offensive Akteure leichtes Spiel. Eine ganze Ereigniskette verschaffte der Janukowitsch-Partei jene „Carte blanche“, von der Rjabtschuk spricht. Mit einer umstrittenen Ad-hoc-Abänderung der Geschäftsordnung im Parlament hat sie sich eine totale Machtbasis verschafft. Entgegen der Verfassung wurde auch der Termin für die Regionalwahl auf Oktober verschoben. Spätestens dann werden bis auf die lokale Ebene hinunter alle Eliten ausgewechselt sein, meint Lange.

Die neuen Machthaber würden nach dem Motto „Speed kills“ agieren, sagt ein westlicher Diplomat, der nicht namentlich genannt werden möchte: „Bei diesem Tempo bleibt freilich vieles auf der Strecke. Nach wie vor ist unklar, ob etwa der Wille zu fundamentalen Reformen zur Korruptionsbekämpfung und Verwaltungsreform besteht.“

Stattdessen tut sich Janukowitschs Mannschaft auf Druck des IWF mit ökonomischen Reformen hervor, erhöht ab 1.August den Gaspreis um 50Prozent und überlegt auch eine Anhebung des Pensionsantrittsalters.

Druck aus Moskau zu stark

Unsicher ist, ob sich die milliardenschweren Financiers der neuen Machthaber über die von Janukowitsch forcierte Wiederannäherung an Moskau freuen. Zumindest ein Teil befürchtet, dass russische Magnaten sich in der Ukraine breitmachen werden. Selbst Janukowitsch hat schon angedeutet, dass der Druck aus Moskau zur Reintegration zu stark sei. „Keine Angst, dass Janukowitsch zu russlandfreundlich ist“, meint ein hochrangiger Regierungsbeamter im Gespräch: „Warten Sie nur ab, in zwei Jahren wird Janukowitsch zum Nationalisten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2010)

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