Niederlande: Eine Regierung von Wilders Gnaden

Niederlande Eine Regierung Wilders
Niederlande Eine Regierung Wilders(c) EPA (ANDY RAIN)
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Liberale und Christdemokraten versuchen es mit einer Minderheitsregierung, die Geert Wilders mit seiner Anti-Islam-Partei stützen soll. Die linksgerichteten Parteien im Haager Parlament fordern eine Sonderdebatte.

DEN HAAG. Fast zwei Monate nach den vorgezogenen Parlamentswahlen in den Niederlanden vom 9. Juni zeichnet sich eine neue Regierungskoalition in Den Haag ab. Sie wird eine Novität sein. Denn erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sollen die Niederlande eine Minderheitsregierung erhalten. Sie soll aus der rechtsliberalen Partei für Freiheit und Demokratie VVD und dem Christdemokratischen Appell CDA bestehen. Designierter neuer Ministerpräsident in dieser Minderheitsregierung ist VVD-Chef Mark Rutte, weil seine Partei stärkste politische Kraft der Niederlande bei den Wahlen wurde.

Außenminister wird und bleibt voraussichtlich der CDA-Fraktionsvorsitzende Maxime Verhagen. Die Minderheitsregierung aus VVD und CDA, die nur über 52 der insgesamt 150 Abgeordnetenmandate im Haager Parlament verfügt, soll von der rechtspopulistischen Freiheitspartei PVV des Islamkritikers Geert Wilders toleriert werden, ohne dass Wilders oder ein anderes PVV-Mitglied einen Ministerposten erhalten.

Mit dieser Konstellation ist Wilders künftig der starke Mann im Haager Parlament. Liberale und Christdemokraten sind völlig auf Wilders angewiesen, weil sie bei jeder Abstimmung in der Haager Volksvertretung die 24 Stimmen der PVV-Abgeordneten brauchen, um eine Mehrheit erlangen zu können.

Hauchdünne Mehrheit

Die Mehrheit ist hauchdünn. Denn mit den Stimmen der Wilders-Partei kann die angestrebte Minderheitsregierung aus Liberalen und Christdemokraten exakt über 76 der insgesamt 150 Mandate verfügen. ,,Dies wird ein Kabinett, das die Niederlande stärken wird, kündigte Mark Rutte an, nachdem sich die drei Parteien in einer Grundsatzerklärung geeinigt hatten.

Geert Wilders jubelte: ,,Es ist fantastisch, dass die Sozialdemokraten, die Grünen und die Demokraten 66 nicht in die Regierung kommen. Es gibt vieles, was unsere drei Parteien verbindet.“ Und CDA-Chef Maxime Verhagen, der gern Außenminister bleiben will, stellte kühl fest: ,,Wir respektieren unsere Unterschiede und kehren sie nicht unter den Teppich.“

Verhagen war es auch, der durchsetzte, dass Wilders und andere PVV-Mitglieder in der neuen Haager Regierung keine Ministerposten erhalten. Knackpunkt hierbei war vor allem die anti-islamische Haltung von Wilders und der PVV. Denn für Wilders ist der Islam eine totalitäre Ideologie, die der Rechtspopulist mit dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus gleichsetzt, während die christdemokratische CDA den Islam als eine andere Religion respektiert. Wilders will ein Kopftuchverbot oder gar eine Kopftuchsteuer für islamische Frauen. Die CDA lehnt das entschieden ab.

Kabinett auf Sparkurs

Die Liberalen haben sich in den Koalitionsverhandlungen in wirtschaftspolitischer Hinsicht mit ihrem Sparprogramm zur Sanierung des Staatshaushalts weitgehend durchgesetzt. Abgesprochen wurde, dass die geplante Haager Minderheitsregierung in den kommenden vier Jahren mindestens 18Milliarden Euro einsparen wird. Auch wird die Erhöhung der Pensionsgrenze von bisher 65 Jahre auf künftig 67 Jahre angestrebt.

Die linksgerichteten Parteien im Haager Parlament fordern nun eine Sonderdebatte im Parlament über die beabsichtigte Bildung einer rechtsorientierten Minderheitsregierung. Sie soll schon in dieser Woche stattfinden. Das wird dann der Lackmustest dafür sein, wie stabil die Liaison von Liberalen und Christdemokraten ist, die nun vom Scharfmacher Geert Wilders toleriert werden soll.

Königin muss zustimmen

Zuerst aber muss der von Königin Beatrix eingesetzte Vermittler, Ex-Premier Ruud Lubbers, der die Koalitionsgespräche zwischen VVD, CDA und PVV in die Wege leitete, Ihrer Majestät noch Bericht erstatten. Dann ist Königin Beatrix wieder am Zug. Es wird spannend zu beobachten, ob sie das Minderheitskabinett zwischen liberaler VVD und christdemokratischer CDA abnickt oder nicht. Aber auch Königin Beatrix dürfte mit dem jetzt gefundenen Regierungskompromiss leben können, denn Wilders und die PVV werden nicht in dieser geplanten Regierungskoalition Platz nehmen. Doch wird Wilders in der niederländischen Politik in Zukunft weiter den großen Zampano spielen können.

Die Sozialdemokratin Sharon Dijksma brachte es auf den Punkt, als sie sagte: ,,Wilders wird zwar kein Minister, aber er wird künftig in dieser Regierungskoalition der wahre Ministerpräsident des Landes sein.“

AUF EINEN BLICK

Die Minderheitsregierung aus Liberalen und Christdemokraten hat nur 52 der insgesamt 150 Mandate im Haager Parlament. Sie ist auf die 24 Stimmen der rechtspopulistischen Freiheitspartei von Geert Wilders angewiesen. Aber auch dann verfügt die niederländische Regierung nur über
eine knappe Mehrheit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2010)

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