Rumänien: Sparkorsett bringt Regierung ins Wanken

(c) AP (Vadim Ghirda)
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Der Unmut über den vom internationalen Währungsfonds verordneten harten Sparkurs der rumänischen Regierung fordert ihre Opfer: Premier Emil Boc tauscht beinahe halbes Kabinett aus. Sechs Minister mussten gehen.

Belgrad/Bukarest. Der zunehmende Unmut über den harten Sparkurs von Rumäniens Regierung fordert ihre Opfer: Um seine eigene Haut zu retten, hat Premier Emil Boc sechs Minister ausgetauscht. Aber trotz des rotierenden Personalkarussells sieht sich auch sein neues Kabinett demselben Problem wie das alte ausgesetzt: einem vom IWF verordneten Sparkorsett.

Boc selbst, der Kapitän von Rumäniens schlingerndem Regierungsschiff, hat aber die Hoffnung auf ein glückliches Ende seiner Mission noch nicht verloren. Die Umbesetzung seines Kabinetts werde dabei helfen, dass Rumänien im nächsten Jahr auf den Wachstumspfad „zurückkehrt“, versicherte der Premier nach seiner radikalen Regierungsumbildung.

Weniger optimistisch schätzte am Freitag die Zeitung „Eventimentul Zilei“ nach dem Austausch des Finanz-, Wirtschafts-, Arbeits-, Landwirtschafts-, Transport- und Kommunikationsministers die Perspektiven des neuen Kabinetts ein: „Boc hat es zwar geschafft, seinen Stuhl zu retten. Aber seine Position ist noch wackliger als sie war.“

Ende des Jammertals nicht in Sicht

Drastisch gefallene Umfragewerte und die wachsende Kritik auch in den Reihen seiner konservativen PD-L an dem harten Sparkurs der Regierung hatten den seit 2008 amtierenden Premier zur fünften Kabinettsumbildung seiner Amtszeit bewogen. Eigentlich wollte sich der 43-Jährige mit dem Austausch von drei seiner Minister bescheiden. Doch nachdem sich in der Parteibasis die Forderungen nach seinem eigenen Abtritt mehrten, verabschiedete sich der frühere Bürgermeister von Cluj-Napoca gar von sechs seiner Minister. „Dies war eine politische Entscheidung“, kommentierte der geschasste Finanzminister Sebastian Vladsescu seine vorzeitige Entlassung: „Und ich denke, sie ist ein Fehler.“

Es ist der harte, vom Internationalen Währungsfonds (IWF) verordnete Sparkurs, an dem sich in Rumänien die Geister scheiden. In diesem Sommer hat die Regierung die Gehälter im öffentlichen Dienst um ein Viertel gekürzt, gleichzeitig die Mehrwertsteuer von 19 auf 24 Prozent erhöht, um das Haushaltsdefizit auf 6,8 Prozent zu begrenzen. Während viele Staatsdiener nun mit Monatsgehältern von wenig mehr als 200Euro über die Runden kommen müssen, ist ein Ende des Jammertals noch nicht in Sicht. Der IWF fordert eine Rentenreform und die Begleichung der Staatsschulden gegenüber der Privatwirtschaft. Nach einem Minuswachstum von 7,1 Prozent im letzten Jahr ist die Rückkehr auf dem Wachstumspfad bis nächstes Jahr nicht zu erwarten.

Das vom IWF verordnete Sparkorsett wird auch das neue Kabinett in Schranken halten. Mehr als einige kosmetische Veränderungen sind von der neuen Regierungsmannschaft nicht zu erwarten, sofern sie nicht die Auszahlung der nächsten Tranche des IWF-Kredits gefährden will. Der Kurs des Leu gab am Freitag dennoch um 0,5 Prozent nach: Anleger fürchten offenbar eine Verwässerung des bisherigen Sparkurses.

Trotz des kräftig rotierenden Personalkarussells im Kabinett bleibt es ungewiss, ob Premier Boc das nächste von der Opposition angekündigte Misstrauensvotum übersteht: Selbst in der eigenen PD-L-Fraktion segneten nur zwei Drittel der Abgeordneten die Ministerwechsel ab.

Sein politischer Ziehvater, Präsident Traian Basescu, scheint an den trostlosen Niederungen des Regierungsalltags offenbar allmählich die Lust zu verlieren. „Mach was Du willst, ich mische mich nicht mehr ein“, soll Basescu laut einem Bericht der „Hotnews“-Agentur seinem langjährigen Günstling vor der Kabinettsumbildung beschieden haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2010)

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