Werden frühere Neonazis salonfähig?

Werden fruehere Neonazis salonfaehig
Werden fruehere Neonazis salonfaehig(c) EPA (LEIF R JANSSON)
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Die rechtspopulistischen "Schwedendemokraten" ziehen vermutlich ins Parlament ein. Die Botschaften von Parteichef Jimmie Åkesson: „Einwanderungsstopp“ und „härtere Bandagen gegen Kriminalität“.

Höganäs (gam). Selbst die Sonne mag sie nicht. Als die „Schwedendemokraten“ im südschwedischen Höganäs zur Großkundgebung rufen, verzieht sie sich hinter eine Nebelbank, und der Nieselregen ist so kalt wie die Botschaften von Parteichef Jimmie Åkesson: „Einwanderungsstopp“ ist sein Mantra, „härtere Bandagen gegen Kriminalität“.

Er klagt darüber, dass das „etablierte Schweden“ nichts wissen will von ihm und den Seinen. „Wir beschreiben die Wirklichkeit so, dass die Menschen sie wiedererkennen“, behauptet er, doch er stoße auf „Ignoranz und Zensur“.

Keiner der anderen Parteichefs will mit ihm debattieren, der Sender TV4 hat seinen Wahlkampfspot wegen Volksverhetzung abgewiesen, und in der abschließenden TV-Elefantenrunde vor den Wahlen am kommenden Sonntag bleiben die Schwedendemokraten (SD) außen vor. Sie sind die Schmuddelkinder der schwedischen Politik, die Partei, mit der die anderen nicht „spielen“ wollen. Die Schwedendemokraten seien eine „rechte, fremdenfeindliche, populistische Partei“, mit der es keine Gesprächsbasis gebe, stellt der konservative Premier Fredrik Reinfeldt klar.

Umfragen: Mehr als vier Prozent

Der offen rassistischen Bewegung „Bewahrt Schweden schwedisch“ sind die Schwedendemokraten heute entwachsen. Ihre Wurzeln haben sie in der Neonazi-Szene, und auch wenn sie sich unter Åkessons Führung der radikalsten Elemente entledigt haben und gemäßigtere Töne anschlagen, ist ihre Agenda für sämtliche andere Parteien ungenießbar.

Daher werden sie auch ausgegrenzt bleiben, wenn sie am 19. September erstmals in den Stockholmer Reichstag einziehen. Vor vier Jahren scheiterten sie noch an der Sperrgrenze von vier Prozent, diesmal liegen sie in den Meinungsfragen stabil darüber. Wenn man bedenkt, dass Rechtspopulisten in der Wahlzelle oft besser abschneiden als in Telefoninterviews, ist der Traum Åkessons von einer Position als dritt- oder viertgrößter Partei gar nicht so unrealistisch. „Wir heben ab“, ruft er den Anhängern zu, „wir zeichnen das Bild der schwedischen Politik neu!“

Beschwerliches Regieren

Doch selbst wenn sechs Prozent der Schweden für die SD stimmen, wählen 94 Prozent andere Parteien. „Undenkbar“ nennt die sozialdemokratische Oppositionsführerin Mona Sahlin eine Kooperation mit der Rechten, „ausgeschlossen“ sagt Premier Reinfeldt. Er will weiter regieren, auch wenn seine bürgerliche Allianz die absolute Mehrheit verliert, solange sie nur stärker bleibt als der rot-grüne Block, ohne die Schwedendemokraten in irgendeiner Form einzubeziehen. Gestürzt könnte er nur werden, wenn Rot-Grün und Rechtsaußen gemeinsame Sache machen, und das geschieht nicht.

Ziehen die Schwedendemokraten ins Parlament ein, werde Schweden nicht unregierbar, „aber das Regieren würde beschwerlicher“, sagt Reinfeldt und appelliert an die Wähler: „Wer es gut mit Schweden meint, stimmt nicht für die Schwedendemokraten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2010)

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