Niederlande: „Was geht das Merkel überhaupt an?“

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Niederlande bdquoWas geht Merkel(c) EPA (ROBERT VOS)
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Die deutsche Bundeskanzlerin „bedauerte“ die Bildung einer Minderheitsregierung in Den Haag unter Duldung des Rechtspopulisten Wilders. Die Holländer reagieren empört.

DEN HAAG. In den Niederlanden haben Äußerungen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zur anstehenden neuen Haager Minderheitsregierung und deren geplanter Zusammenarbeit mit dem Rechtspopulisten Geert Wilders Kopfschütteln und heftige Kritik ausgelöst. Merkel sagte, sie würde die Bildung eines Minderheitskabinetts in den Niederlanden mit Duldung durch die „Partij Voor de Vrijheid“ (PVV) von Geert Wilders „bedauern“.

„Was geht Merkel das überhaupt an, wie wir in den Niederlanden eine Regierung bilden? Und was bedauert sie eigentlich genau?“, fragt die größte niederländische Zeitung „De Telegraaf“ in einem Kommentar. Die Kanzlerin solle erklären, was sie mit „bedauern“ meine, oder aber sie sollte ihren Mund halten, schreibt das Blatt der deutschen Kanzlerin ins Stammbuch.

Im „Radio 1 Journal“ war von einer „unerhörten Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines befreundeten EU-Nachbarlandes“ die Rede. Die deutsche Christdemokraten-Chefin Merkel wolle offenbar Druck auf die Delegierten der niederländischen Schwesterpartei CDA (Christdemokratischer Appell) ausüben, die am kommenden Samstag auf einem Sonderparteitag über die geplante Zusammenarbeit mit der Wilders-Partei abstimmen müssen.

Verweis auf ÖVP/FPÖ-Koalition

Mit ihren Äußerungen falle Merkel dem amtierenden niederländischen Christdemokraten-Chef, Maxime Verhagen, in den Rücken, der sich das Minderheitskabinett aus CDA und liberaler VVD unter Duldung der Wilders-Partei ausspricht.

Vor allem der indirekte Verweis von Merkel auf das, was im Jahr 2000 Österreich widerfahren war, als dort die FPÖ von Jörg Haider eine Koalitionsregierung mit der Volkspartei bildete, wurde scharf kritisiert. Damals hatte die EU einen diplomatischen Boykott gegen Österreich verhängt. Das sei im Falle der Niederlande freilich nicht geplant, ließ Merkel anklingen.

Am Samstag will Wilders in Berlin auf Einladung des Ex-CDU-Politikers René Stadtkewitz eine Rede halten. Sie wird mit Spannung erwartet, weil sie die Regierungsbildung in den Niederlanden noch beeinflussen könnte. Denn auf dem ebenfalls am Samstag stattfindenden Sonderparteitag der Christdemokraten in Arnheim müssen 2000 Delegierte darüber abstimmen, ob sie für oder gegen die Minderheitsregierung unter Duldung der Wilders-Partei sind.

Schon die Parlamentsfraktion der Christdemokraten konnte sich in der Nacht auf Donnerstag nicht auf eine einhellige Zustimmung zum Duldungsvertrag einigen. Es habe „einige Beschwerden“ gegeben, bestätigte Parteichef Verhagen, dass es anhaltenden Widerstand gegen eine Kooperation mit Wilders gibt.

AUF EINEN BLICK

Ein Sonderparteitag der Christdemokraten (CDA) entscheidet am Samstag über die geplante Duldung der Minderheitsregierung von Mark Ruttes Rechtsliberalen (VVD) und CDA durch Wilders Partei PVV.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2010)

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