Clinton: "USA für EU-Beitritt der Türkei"

Hillary Rodoham Clinton, Michael Spindelegger
Hillary Rodoham Clinton, Michael Spindelegger(c) AP (Susan Walsh)
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US-Außenministerin Hillary Clinton war gegenüber ihrem Gast Michael Spindelegger voll des Lobes über Österreichs Rolle am Balkan und im UN-Sicherheitsrat.

Washington/New York.  Im Hintergrund prangen die Ölbilder früherer US-Außenminister wie Madeleine Albright oder James Baker. Als die jetzige Amtsinhaberin Hillary Clinton und ihr österreichischer Kollege Michael Spindelegger den prunkvollen „Treaty Room" betreten, setzt Clinton ihr strahlendstes Lächeln auf - und würdigte den österreichischen Beitrag im UN-Sicherheitsrat in den vergangen zwei Jahren.

Lob gab es auch die das intensive Engagement Österreichs in Südosteuropa und für die Beiträge des Bundesheeres zur Friedenssicherung am Balkan und am Golan. Wobei Clinton deutlich machte, dass sie sich eine Ausweitung dieses Engagements wünschen würde. Angesprochen auf Zweifel in manchen EU-Staaten gegenüber einem Beitritt der Türkei meinte Clinton entschieden: „Wären wir EU-Mitglied, würden wir stark für einen Beitritt eintreten." Nach all den freundlichen Worten Clintons war auch Spindelegger nicht um ein Kompliment verlegen: „Es war schön, den ganzen Tag mit der Ministerin zu verbringen".

Den ganzen Tag? Das war dann vielleicht doch leicht übertrieben. Für Nichtdiplomaten, musste das Rundherum des Treffens indes etwas sonderbar anmuten. Und das ist noch milde ausgedrückt angesichts der Züge einer Farce tragenden Hetzjagd zwischen New York und Washington, die die diplomatischen Gepflogenheiten den beiden aufzwangen.

Prestigesache für ein kleines Land

Da sprachen die Außenminister Dienstagvormittag kurz hintereinander bei der UN-Sicherheitsratssitzung in New York zum Thema Sudan, um nach etwa einer Stunde zum Flughafen zu eilen und nach Washington abzuheben - selbstredend in separaten Konvois und Flugzeugen.
Im Außenministerium in Washington sollten sie sich keine sechs Stunden später wieder sehen - zum bilateralen Treffen mit offiziösem Gepränge. Eine Prestigesache für jeden Vertreter eines kleinen, im Weltmaßstab unbedeutenden Landes, das nicht einmal als Nato-Mitglied von Wert für die Supermacht USA ist.

Ausgerechnet der bevorstehende Nato-Gipfel in Lissabon am Ende der Woche war indes schuld an der unglücklichen Terminkollision. Denn für Mittwoch rief Präsident Barack Obama die Außenministerin, Verteidigungsminister Robert Gates und andere Schlüsselfiguren seines Kriegskabinetts zur Strategiesitzung über den Afghanistan-Krieg ins Weiße Haus. Er will den Nato-Alliierten einen detaillierten Abzugsplan mit dem - vorläufig - endgültigen Ablaufdatum 2014 vorlegen.

Clinton war dabei unabkömmlich, hatte aber just am Mittwoch eine knappe Stunde für „dear Michael" reserviert - eine Stunde, für die das Außenministerium in Wien so viel Vorarbeit geleistet hatte. So kam es, dass das State Department das Gespräch kurzerhand um einen Tag vorverlegte.

Keine Guantánamo-Häftlinge

Und es war nach Meinung Spindeleggers neben den intimen Balkan-Kenntnissen vor allem die Expertise Österreichs in der heiklen Iran-Frage (Teherans Außenminister Mottaki war im April zu einem umstrittenen Besuch in Wien), die dem Minister die Auszeichnung eines Gesprächstermins bei Clinton einbrachte.
Die Unterredung drehte sich unter anderem um den Nahen Osten und den US-Plan zum 90-tägigen Siedlungsstopp im Westjordanland. Weitere Themen waren die Auswirkungen des republikanischen Siegs bei den Kongresswahlen auf die US-Außenpolitik im Allgemeinen und auf die Initiative zur nuklearen Abrüstung im Besonderen, deren Ratifizierung durch die neue Konstellation im Kongress gefährdet ist.

„Zweites Darfur verhindern"

Auf seiner Wunschliste hatte Spindelegger die Bitte um US-Unterstützung für die Einrichtung einer Antikorruptionsbehörde in Laxenburg und für die Aufnahme Österreichs in den UN-Menschenrechtsrat - jetzt, da der zweijährige Turnus Wiens im UN-Sicherheitsrat zu Ende geht.

Im Gegenzug war Österreich den USA beim Austausch von Personendaten nach mehr oder weniger sanftem Druck Washingtons entgegengekommen. Nur in einer Frage zeigte sich der Außenminister von vornherein kompromisslos: Bei der Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen wollte sich Wien kein Jota bewegen - und das heißt ein striktes „No".

Im kleinen Kreis zog Spindelegger bei seinem zehnten New-York-Besuch in zwei Jahren - und seinem dritten in den vergangenen zwei Monaten - eine positive Bilanz des österreichischen Mandats am Tisch der Weltmächte. „Was wir geleistet haben, kann sich wirklich sehen lassen." Mehrere Resolutionen trügen die Handschrift Österreichs: „Da haben wir ein Markenzeichen hinterlassen." UN-Botschafter Thomas Mayr-Harting hofft unter anderem auf einen nachhaltigen Effekt in der Afrika-Abteilung des Außenamts.

Zuletzt hat sich die österreichische Außenpolitik gerade in der Sudan-Frage hervorgetan. In der Vorwoche waren zwei sudanesische Delegationen in Wien zu Gast, und den Minister beschleicht ein Unbehagen angesichts des für 9. Jänner angesetzten Referendums über die Unabhängigkeit des ölreichen Südens und der vielen ungeklärten Fragen, etwa jener der Verteilung der Ölressourcen. Es zeichne sich eine gewaltsame Auseinandersetzung ab: „Wir müssen ein zweites Darfur verhindern", appellierte Spindelegger.

Auf einen Blick

Österreichs Außenminister, Michael Spindelegger, wurde am Dienstag von seiner US-Kollegin, Hillary Clinton, in Washington empfangen. Der letzte derartige Besuch im State Department fand 2005 statt, die Protagonistinnen hießen damals Ursula Plassnik und Condoleezza Rice. Für Wien ist der Empfang auch eine Prestigesache.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2010)

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