Thailand: Die Rückkehr der Rothemden

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Thailand Rueckkehr Rothemden(c) EPA (RUNGROJ YONGRIT)
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Genau ein halbes Jahr nach der blutigen Niederschlagung der Demonstration am 19. Mai mit 91 Toten ging es bei den Protesten vor allem um die Frage, warum noch niemand für die Opfer zur Rechenschaft gezogen worden ist.

Bangkok. Stände mit roten T-Shirts, CDs und fliegende Essensverkäufer wiesen den Weg zur Demonstration im Zentrum von Bangkok. Schon am frühen Freitagmorgen zogen die oppositionellen „Rothemden“ durch die Stadt und demonstrierten gegen die Regierung von Premierminister Abhisit Vejjajiva. Nach Kundgebungen vor dem Gefängnis, in dem ihre Anführer inhaftiert sind, und vor den Büros der Sonderermittlungsbehörde DSI versammelten sich ab dem Nachmittag immer mehr Demonstranten an der Ratchaprasong-Kreuzung im noblen Geschäftsviertel der Stadt, die auch im April und Mai das Zentrum der Demonstrationen war. Genau ein halbes Jahr nach der blutigen Niederschlagung der Demonstration am 19. Mai mit 91 Toten ging es bei den Protesten vor allem um die Frage, warum noch niemand für die Opfer zur Rechenschaft gezogen worden ist. Wir sind gekommen, um unserer Kameraden zu gedenken, die hier gestorben sind“, sagte etwa eine Demonstrantin. „Es wird noch lange dauern, bis sich etwas ändert.“

Bis zum Nachmittag versammelten sich etwa 10.000 Menschen auf dem Boulevard. Jatuporn Promphan, der einzige hochrangige Anführer der Proteste, der nicht untergetaucht oder festgenommen worden ist – als Abgeordneter der Puea-Thai-Partei genießt er rechtliche Immunität – begeisterte die Menge mit einer Rede: Die Regierung verhindere die Aufklärung der Todesfälle, es müsse transparente Untersuchungen geben.

Vor wenigen Tagen sorgte die Sonderermittlungsbehörde DSI, die die Vorfälle untersuchen soll, für Entsetzen unter den Nachkommen der Getöteten. Zwölf der 18 bisher untersuchten Todesopfer seien von Militanten aus den Reihen der Rothemden getötet worden, heißt es in einem Bericht.

Anklage wegen Terrorismus

Die Chancen, dass Vertreter der Armee zur Rechenschaft gezogen werden, die in den Tagen vor der Niederschlagung ganze Straßenzüge als „Scharfschusszonen“ ausgewiesen und vielfach ohne klare Sicht mit Kriegsgerät in Rauchschwaden gefeuert haben, schwinden damit weiter – zumal das Land immer noch von einem Notstandsstab aus Regierung und Armee regiert wird. Die meisten der etwa zwei Dutzend Anführer der Proteste von April und Mai befinden sich weiterhin in Haft. Ihnen soll unter anderem wegen „Terrorismus“ der Prozess gemacht werden.

Einige Analysten glauben dennoch, dass die Bewegung auch ohne sichtbare Anführer in den vergangenen Monaten eine neue Dynamik entwickelt hat, die weit über die ursprünglichen Forderungen nach einer Einbeziehung der ärmeren Bevölkerungsteile in den politischen Prozess hinausgeht. Noch vor einem Jahr hätte niemand monarchiekritische Graffiti und Plakate, wie sie jetzt vermehrt auftauchen, für möglich gehalten. Beim Establishment in Bangkok liegen die Nerven dementsprechend blank. Thailands neuer Armeechef Prayuth Chan-Ocha, der seit Anfang Oktober im Amt ist und als monarchietreuer Hardliner gilt, zieht in diesen Tagen selbst von regierungsnahen Medien reichlich Kritik auf sich. Prayuth hat angekündigt, er werde „monarchiekritische Elemente“ und „Verräter“ aus der Armee entfernen.

Sondereinheit gegen Verräter

Eine neue Sondereinheit soll Telefonate und Mails von Armeemitgliedern auf Kommentare untersuchen, die unter Thailands Gesetzen gegen „Majestätsbeleidigung“ mit bis zu 15 Jahren Haft geahndet werden. Ein Kommentator der Tageszeitung „Bangkok Post“ schreibt: „Es ist doch falsch, diese Offiziere als Staatsfeinde zu behandeln. Sie sind Thais, wie alle Soldaten und Bürger.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2010)

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