Für Irlands Staatspartei läuten die Todesglocken

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Die Tage Brian Cowens als Premier sind gezählt. Nach dem Zusammenbruch der Wirtschaft rücken auf einmal auch die dubiosen Herrschaftsmethoden seiner Partei und deren Verfilzung mit der Wirtschaft ins Blickfeld.

London/Dublin. Der wirtschaftliche Untergang Irlands wird auch die politische Landschaft völlig verändern. Gleichgültig, ob in den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten gewählt wird: Die Langzeit-Regierungspartei Fianna Fáil, die sich traditionell als Staatspartei verstand, wird von den Wählern aus dem Amt gejagt werden. Mit derzeit nur mehr 17 Prozent in den Umfragen steht die Partei von Premier Brian Cowen näher vor der Auflösung als vor einer Regeneration in der Opposition.

Denn die „Soldaten des Schicksals“ – das bedeutet Fáil – kennen seit ihrer Gründung nur einen Existenzgrund: das Regieren. Nicht nur der legendäre Grüdungsvater der Republik Irland, Eamon de Valera, stammt aus der konservativ-nationalistischen Partei. Von den 27 Kabinetten, die Irland seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1922 hatte, wurden nur sieben ohne Fianna Fáil gebildet. Als im Mai 2007 Bertie Ahern eine dritte Amtszeit in Folge gewann, glaubten manche, er könne sogar Übervater de Valera einst überflügeln.

Korruptionsvorwürfe

So glänzend schien damals die Lage in Irland, mit durchschnittlichen Wachstumsraten von mehr als sechs Prozent und einer Regierung, die vorwiegend damit beschäftigt war, Wohltaten zu verteilen. „Wir haben viel erreicht“, warb die Partei damals. Für das Land, aber mehr noch für ihre Freunde: Ahern stolperte ein Jahr nach der Wahl über Korruptionsvorwürfe, die im Nachhinein wie „peanuts“ aussehen: Er trat wegen der dunklen Herkunft von rund 100.000 Euro zurück. Heute steht die Republik – rechnet man die Banken dazu – vor einem Schuldenberg von mehr als 200 Milliarden Euro.

Die Ursache dafür liegt freilich in den Herrschaftsmethoden der Partei, wie sie Ahern und seine Vorgänger praktizierten: Am Höhepunkt der Macht hielt Ahern am Rande des Pferderennens in Galway in einem Zelt Hof, und die „Freunde“ der Partei aus Banken- und Bauwirtschaft zeigten sich für Wohltaten mit Barem erkenntlich.

Solange Irland sich als „keltischer Tiger“ feierte, hatte daran kaum jemand viel auszusetzen. Die Oppositionspartei Fine Gael galt als mindestens ebenso konservativ, aber als lange nicht so kompetent. Die Unterschiede der Parteien reichen bis 1922 zurück und sind von den meisten längst vergessen. Die Labour Party hingegen hatte es im katholisch-konservativen Irland lange schwer, Fuß zu fassen.

Wegnehmen statt Verteilen

Mit dem Zusammenbruch der Wirtschaft hat Fianna Fáil nun ihr wichtigstes Instrument verloren: Die Partei kann nichts mehr verteilen, heute müssen die Abgeordneten ihren Wählern etwas wegnehmen. Im Vierjahresplan, den die Regierung heute, Mittwoch, vorstellen will, sollen unter anderem der Mindestlohn und die Staatspensionen gekürzt werden.

Vor Neuwahlen will Cowen unbedingt noch das Budget durchbringen. Die Mehrheit dafür ist alles andere als gewiss. Gerade das bringt die Opposition unter Druck, sich verantwortungsbewusst zu verhalten. Sie müsste dann aber mit einem Budget leben, das sie nicht selbst erstellt hat. EU-Kommissar Olli Rehn „erinnerte“ die Parteien bereits: Ein Budgetbeschluss sei für das internationale Rettungspaket „entscheidend“.

Die Dubliner Politologin Etaine Taname meinte denn auch im Gespräch mit der „Presse“: „Cowen muss weniger die Opposition fürchten als seine eigenen Hinterbänkler, die sich nun zu retten versuchen werden.“ Der Historiker Diarmaid Ferriter ergänzt: „Es ist die ultimative Ironie, dass gerade die Partei, die sich als Gründerin des Staates sieht, nun seinem Untergang vorsteht.“ Seite17

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2010)

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