Der Norden warnt vor gemeinsamen Seemanövern von USA und Südkorea, die am Sonntag beginnen sollen. Die Übung soll gut 100 Kilometer südlich von Yeonpyeong stattfinden.
Peking/Wien. Vier Tage nachdem Nordkoreas Militärs die südkoreanische Insel Yeonpyeong mit Granaten beschossen und vier Menschen getötet haben, bleibt die Lage in der Region brenzlig. Die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA drohte am Freitag sogar mit einem Krieg, sollten die USA und Südkorea an ihren geplanten Marineübungen vor der Küste festhalten: Schuld an dieser Entwicklung sei „der dreiste Plan jener schießwütigen Elemente, wieder einmal Kriegsmanöver abzuhalten, die sich gegen den Norden richten“, hieß es in einer Meldung der nordkoreanischen Agentur KCNA, die als Sprachrohr des Machthabers Kim Jong-il dient: Die Armee und das Volk von Nordkorea seien „höchst erzürnt“ und bereiteten sich vor, einen „schrecklichen Feuerhagel“ auszusenden.
Das lange angekündigte Manöver der südkoreanischen Armee und der US-Armee, die 28.000 Soldaten in Südkorea stationiert hat, soll am Sonntag im Gelben Meer beginnen. Nach dem Feuergefecht am Dienstag hatten die USA entschieden, ihren atomgetriebenen Flugzeugträger „USS George Washington“ in das Gelbe Meer zu entsenden. Die Übung soll gut 100 Kilometer südlich von Yeonpyeong stattfinden, deren Bewohner inzwischen evakuiert wurden.
In Südkorea übernahm derweil der ehemalige Generalstabschef Kim Kwan Jin den Posten des Verteidigungsministers. Der bisherige Amtsinhaber Kim Tae Young war am Donnerstag zurückgetreten. Hardliner im Parlament und der Armee hatten ihm vorgeworfen, nicht schnell genug auf den Angriff aus dem Norden reagiert zu haben. Er habe 13 Minuten lang gezögert, bevor er den Befehl zum Gegenschlag gegeben habe.
„Auf unsere Worte werden Taten folgen“
Mit dem Beginn der Seemanöver droht eine weitere Eskalation: Sollten Einheiten auch nur einen „Bruchteil eines Millimeters“ in Nordkoreanische Gewässer eindringen, werde geschossen. Die Manöver brächten die beiden Koreas an den Rand eines Krieges, hieß es von nordkoreanischer Seite: „Auf unsere Worte werden Taten folgen.“ Technisch befinde man sich noch immer im Krieg – bisher gibt es nur ein Waffenstillstandsabkommen von 1953, aber keinen Friedensvertrag –, daher sei die Situation brandgefährlich. Als einzige – wenn auch langfristige – Lösung sieht die nordkoreanische Seite einen Friedensvertrag mit den USA. Im Moment sei das aber freilich undenkbar, wurde eingeräumt.
Sowohl Südkorea als auch China wären übrigens nicht erfreut, sollte Pjöngjang direkt das Gespräch mit Washington suchen. Derweil gehen die Spekulationen weiter, was die Nordkoreaner zu dem tödlichen Schlag veranlasst haben könnte. Professor Zhu Feng vom Institut für Internationale Beziehungen der Peking-Universität wertete ihn als „ältesten Trick“, um die USA zurück an den Verhandlungstisch zu zwingen. Zhu: „Es ist eine rücksichtslose Provokation. Sie wollen die Verhandlungen mit einem großen Knall zu ihrem Gunsten wenden.“ Da es außer Frage stehe, Nordkorea mit militärischen Mitteln zum Einlenken zu zwingen, bleibe am Ende nichts anderes übrig als zu verhandeln.
Auf einen Blick
Lee Hee Won ist nach dem Rücktritt von Kim Tae Young neuer Verteidigungsminister Südkoreas. Kim war vorgeworfen worden, dass die Armee erst verzögert auf den nordkoreanischen Artilleriebeschuss am Dienstag reagiert habe. Der neue Verteidigungsminister wird als fähiger Militärstratege und erfahren in der Zusammenarbeit mit dem engen Verbündeten USA bezeichnet. [Reuters]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2010)