Russland: „Brauchen positive Agenda“

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Der Chef des außenpolitischen Ausschusses der Duma sucht nach den Gründen für das negative Image Russlands im Ausland.

Moskau. Für Konstantin Kosatschow ist die Lage klar: Die „Marke Russland“ hat auf der internationalen Bühne ein Problem. Man habe es versäumt, sich gut zu vermarkten, erklärte jüngst der Chef des außenpolitischen Ausschusses der Duma (Parlament) im Gespräch mit ausländischen Journalisten in Moskau. Man habe die Kontakte zu internationalen Medien zu sehr schleifen lassen und nur wenige russische Politiker beherrschten die wichtigste Sprache in der Diplomatie – Englisch.

Klar ist für den erfahrenen Außenpolitiker Kosatschow aber auch: „Die russische Wirklichkeit ist besser als der Ruf des Landes im Ausland.“

Zwischen Großmachtanspruch und einem Unterlegenheitsgefühl changiert in Russland oft die Selbstwahrnehmung als Nation. Ähnlich bringt das Kosatschow, ein Mitglied der Regierungspartei „Geeintes Russland“, zum Ausdruck: „Russland ist ein sich selbst genügender Staat. Wir können es uns leisten, unsere eigenen Standpunkte zu haben. Das macht uns zu einem leichten Ziel für mediale Angriffe.“

Für eine aktivere Außenpolitik

Doch es sind nicht nur ungerechtfertigte Angriffe, die Kosatschow konstatiert. Eine „positive außenpolitische Agenda“ sei notwendig, die russische Außenpolitik müsse aktiver sein und nicht nur auf internationale Ereignisse reagieren.

Den von Präsident Dmitrij Medwedjew eingebrachten Vorschlag für einen neuen europäischen Sicherheitsvertrag sieht er als einen solchen Debattenbeitrag, der – das dürfe man nicht falsch verstehen – nicht gegen die Nato als Organisation gerichtet sei. Auch wenn er den jüngsten Nato-Gipfel von Lissabon grundsätzlich positiv beurteilt – und damit die neuerliche Annäherung zwischen Russland und dem Sicherheitsbündnis, von der viele westliche Beobachter schwärmen –, gibt sich Kosatschow doch reserviert. Erst wenn die in Aussicht gestellte Nato-Expansion nach Georgien und in die Ukraine vom Tisch sei, werde man sehen, ob Lissabon wirklich ein erfolgreicher Gipfel gewesen ist.

„Unerhörte Diskreditierung“

Kosatschows Worte klingen bekannt: Eine Erweiterung der Nato auf das Territorium der früheren Sowjetrepubliken sei „künstlich“, sie schaffe „neue politische Gefahren“.

Sehr emotional wird der Duma-Politiker, wenn die Rede auf den Fall Magnitskij kommt. Der Anwalt Sergej Magnitskij wurde wegen Steuerhinterziehung verhaftet. Später gab er an, Opfer einer Verschwörung zu sein, an der Staatsbeamte und die Mafia beteiligt seien. Magnitskij starb 2009 im Arrest – wegen mangelnder medizinischer Versorgung. Das Europäische Parlament fordert nun in einer Petition ein Einreiseverbot für 60 russische Beamte, die mit dem Fall in Verbindung stehen sollen.

Eine „Diskreditierung Russlands“ sei das, „unerhört“, schimpft der Politiker. Und droht: „Es ist möglich, dass wir auch eine schwarze Liste erstellen, wenn die Europäer diese Sache nicht aus der Welt schaffen.“

Kosatschow war auch eine treibende Kraft hinter der Resolution, die die Duma am Freitag verabschiedet hat und in der erstmals offiziell die Verantwortung des sowjetischen Diktators Stalin für das Massaker an 22.000 polnischen Offizieren 1940 im Wald von Katyn und anderen Orten anerkannt wird: „Es war überfällig, diese Lüge endlich aus dem Weg zu räumen.“

„Die russische Wirklichkeit ist besser als der Ruf des Landes im Ausland.“

Konstantin Kosatschow, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2010)

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