Wikileaks im "Exil": "Im Moment findet ein Cyberkrieg statt"

"The Guardian:" Live-Chat mit Wikileaks-Gründer(c) REUTERS (Valentin Flauraud)
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Das Katz- und Maus-Spiel um die Sperrung der Wikileaks-Website geht weiter. Auch das Schweizer "Exil" war kein sicherer Hafen. Wikileaks-Gründer Julian Assange stellte sich den Nutzern im "Guardian"-Chat.

Das Katz- und Maus-Spiel um die Sperrung der Wikileaks-Website geht weiter. Regierungen und Unternehmen haben es auf die technische Infrastruktur des Portals abgesehen.

Wikileaks teilte am Freitag über Twitter mitgeteilt, dass man nun in die Schweiz "übersiedelt" sei. Zuvor hatte der Domain-Name-Provider EveryDNS wikileaks.org als internationale Hauptadresse der Enthüllungsplattform entfernt. Am Freitagabend war wikileaks.ch jedoch nicht zugänglich, erst am Samstag war die Schweizer Internetadresse wieder erreichbar.

Die französische Regierung begann damit, Wikileaks von inländischen Servern zu verbannen. Es sei inakzeptabel für französische Server, die Internetseite vorzuhalten, sagte Industrieminister Eric Besson. Wikileaks habe "gegen die Geheimhaltung diplomatischer Beziehungen verstoßen und Menschen, die durch diplomatische Geheimhaltung geschützt werden, in Gefahr gebracht", sagte Besson.

Wikileaks-Unterstützer haben unterdessen selbst die Initiative ergriffen. So gab die deutsche Piratenpartei bekannt, dass sie auf ihren Internetseiten eine Unterdomain eingerichtet habe, über die Wikileaks erreichbar sei. "Im Moment findet ein Cyberkrieg statt", teilte der Vorstand Wolfgang Dudda mit. "Es werden alle technischen Register gezogen, um Wikileaks mundtot zu machen."

Assange im "Guardian"-Chat

Der Gründer von Wikileaks, Julian Assange, hat Vorwürfe zurückgewiesen, dass die Enthüllungen im Internet Dissidenten oder Informanten schaden könnten. Auf Fragen von Lesern der britischen Tageszeitung "The Guardian" antwortete Julian Assange, niemand, "nicht einmal das Pentagon" habe dafür bisher einen glaubwürdigen Beleg geliefert.

Wikileaks betrachte seine Informanten als Helden, ohne deren Einsatz Journalisten unbedeutend wären, schrieb Assange von einem unbekannten Ort aus. Zu seiner eigenen Rolle erklärte er: "Auch wenn ich noch schreibe, recherchiere und untersuche, ist meine Rolle vor allem die eines Herausgebers und Chefredakteurs, der organisiert und andere Journalisten anleitet."

Rückkehr nach Australien vorerst kein Thema

Ein Fragensteller wollte wissen, ob Assange in seine australische Heimat zurückkehren wolle. Der in Schweden sowie international wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung gesuchte Aktivist antwortete, dass er sein Land sehr vermisse. Sowohl die australsiche Premierministerin Julia Gillard als auch Generalstaatsanwalt Robert McClelland hätten aber klar zum Ausdruck gebracht, dass Regierung und Behörden die USA aktiv unterstützen würden "bei ihren Angriffen auf mich selbst und unsere Leute".

Julian Assange gibt außerdem bekannt, dass er Todesdrohungen erhalte. Er treffe entsprechende Vorkehrungen, um sich zu schützen, soweit dies in der Auseinandersetzung mit einer Weltmacht möglich sei, erklärte er. Auch andere Mitarbeiter der Enthüllungsplattform hätten Todesdrohungen erhalten. In dem Online-Chat mit Lesern sagte Assange, wer sein Leben bedrohe, solle wegen Anstiftung zu einem Verbrechen belangt werden.

Nachdem der "Guardian"-Server bereits zu Beginn des Chats zusammengebrochen war, stellte die Zeitung nachträglich eine Reihe von angeblichen Antworten Assanges auf ihrer Website online.

--> Alle Antworten von Julian Assange

Wikileaks

Wikileaks wurde 2007 von dem Australier Julian Assange gegründet. Die Plattform publiziert geheime Dokumente, die von anonymen Quellen zugespielt werden. Breiter bekannt wurde sie mit der Veröffentlichung von geheimen Dokumenten zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak.

Derzeit sorgt die Veröffentlichung von 250.000 teils geheimen Dokumenten der US-Diplomatie für Aufregung.

Neuer Haftbefehl für Assange

Die Jagd auf Julian Assange nimmt weiter an Fahrt auf. Die schwedischen Behörden haben nach britischen Beschwerden einen neuen, diesmal vollständigen, internationalen Haftbefehl erwirkt. Assanges Anwältin bestätigte, dass sich der Australier in Großbritannien aufhält, doch bis Freitag sei ihr noch kein Haftbefehl zugestellt worden.

Neue Österreich-Enthüllungen?

In Wien wurde am Freitag immer heftiger spekuliert, ob weitere Depeschen mit Österreich-Bezug kurz vor der Veröffentlichung stehen. Dabei könnte es einerseits um die bereits von der „Kleinen Zeitung“ angedeutete Regierungsschelte eines ehemaligen Bundeskanzlers gehen, oder aber um neue Enthüllungen über Geschäfte österreichischer Banken. Akten über das Nabucco-Pipeline-Projekt, an dem die OMV federführend beteiligt ist, könnten ebenfalls ans Licht gebracht werden. Wie der „Presse“ nun bestätigt wurde, traf der US-Botschafter in Wien, William Eacho Außenminister Michael Spindelegger, um ihn auf brisante Enthüllungen zu Wikileaks vorzubereiten.

(Ag./Red.)

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