Fini setzt zum finalen Schlag gegen Berlusconi an

Fini setzt finalen Schlag
Fini setzt finalen Schlag(c) EPA (ETTORE FERRARI)
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Berlusconis einstiger Verbündeter setzt alle Hebel in Bewegung, um ihn aus dem Amt zu jagen. Und „WikiLeaks“ enthüllt immer mehr Kompromittierendes über den Regierungschef.

Rom. Es schien zunächst eines von vielen konspirativ-barocken Treffen zu sein, die dieser Tage in der politisch aufgeheizten Atmosphäre Roms stattfinden: Italiens Parlamentspräsident Gianfranco Fini empfing am späten Donnerstagnachmittag die Chefs der kleinen christdemokratischen Parteien, Pierferdinando Casini und Francesco Rutelli.

Doch nach der Unterredung war die Luft für Silvio Berlusconi merklich dünner. Es war geschehen, was Berlusconi bisher für unmöglich gehalten hatte: Sein früherer Verbündeter und jetziger Erzrivale Fini wagte sich aus der Deckung und verbündete sich mit den bürgerlichen Parteien der Mitte, um ihn zu stürzen. Die drei Politiker einigten sich mit den Abgesandten anderer Splitterparteien darauf, einen eigenen Misstrauensantrag einzubringen, sollte Berlusconi nicht aus freien Stücken gehen. Im bürgerlichen Lager ließ das die Hoffnung keimen, dass der sogenannte „Dritte Pol“ doch noch Gestalt annehmen könnte.

Jetzt wird wieder fieberhaft gerechnet in Rom: Mit den großen Oppositionsparteien, der „Demokratischen Partei“ und „Italien der Werte“ kämen die Berlusconi-Gegner auf eine hauchdünne Mehrheit von 317 Stimmen in der Abgeordnetenkammer – eine mehr als nötig. Noch kann viel passieren bis zum 14. Dezember, und Berlusconi wird nichts unversucht lassen, Wankelmütige „einzukaufen“.

Für Fini aber gibt es kein Zurück mehr. Seit Monaten gedeihen die Spekulationen, wie sich seine neue Partei „Zukunft und Freiheit für Italien“ verhalten wird, wenn es zur Verschwörung kommt. Schon jetzt wird er im Berlusconi-Lager als Verräter gebrandmarkt, der mit den verhassten Linken gemeinsame Sache macht. Der Verrat wäre wohl nicht ganz so groß, wenn die Linke einem Misstrauensantrag der bürgerlichen Mitte zustimmt und nicht umgekehrt.

Hiobsbotschaften im Minutentakt

Neuwahlen aber will Fini nach wie vor vermeiden. Er versucht stattdessen, den Druck auf seinen langjährigen Verbündeten Berlusconi zu erhöhen. Tritt dieser vor dem 14. Dezember zurück, muss der Staatspräsident nicht zwangsläufig Neuwahlen ausrufen. Er könnte auch eine breite Übergangsregierung einsetzen, Finis bevorzugte Variante. Einmal mehr forderte er Berlusconis Rücktritt, um „unnütze Machtspiele und eine weitere Beschädigung der politischen Institutionen zu vermeiden“.

Die Reaktion Berlusconis, der sich im fernen Kasachstan beim OSZE-Gipfel aufhielt, ließ nicht auf sich warten. Als „unverantwortlich“ bezeichnete er die verschwörerischen Pläne der bürgerlichen Politiker zu Hause. Auch in seiner Umgebung schloss man einen Rücktritt des Regierungschefs nach wie vor kategorisch aus, und das, obwohl im Minutentakt weitere Hiobsbotschaften eintrafen.

Was versprach Putin Berlusconi?

In US-Dokumenten aus der WikiLeaks-Affäre wird Berlusconi nicht nur als notorischer Partylöwe bezeichnet. Sein Lebenswandel sei so ausschweifend, berichtete der US-Botschafter in Rom im Oktober 2009 nach Washington, dass seine Gesundheit ernstlich Schaden nehme. Als Quellen zitierte er ausgerechnet Gianni Letta, Berlusconis Staatssekretär und rechte Hand, sowie einen Senator aus seiner Partei. Beide dementierten umgehend, doch der Schaden war umso größer, als immer neue Details über die innige Freundschaft mit Russlands Premier Wladimir Putin bekannt wurden.

Dabei geht es nicht nur um Geschäfte mit Gas und Strom, sondern auch um strategische Fragen. Und Berlusconi, sonst ein treuer Verbündeter, erwies sich hier immun gegenüber jeglicher Einmischung aus Washington. Das löste jenseits des Atlantiks offenbar gehörige Irritationen aus. In den Berichten wird sogar spekuliert, dass Putin seinem italienischen Freund eine persönliche Beteiligung an Gazprom versprochen habe. Erwiesen ist das nicht. Die diplomatischen Noten der Amerikaner tat er als „lächerlichen Klatsch“ ab: „Ich habe immer nur im Interesse Italiens gehandelt.“

Auf einen Blick

Silvio Berlusconi gerät immer stärker unter Druck: Wenn er bis 14. Dezember nicht zurücktritt, will ein noch loses Bündnis von bürgerlichen Parteien den Premier per Misstrauensantrag stürzen. Berlusconi lehnt einen Rücktritt ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 4. Dezember 2010)

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