China: Spitzenpolitiker bezweifelte Statistiken seines Landes

China: Spitzenpolitiker bezweifelte Statistiken seine Landes
China: Spitzenpolitiker bezweifelte Statistiken seine LandesChinas Vize-Premier Li Keqiang (c) EPA (Alessandro Della)
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Li Keqiang, Anwärter auf den Ministerpräsidenten-Posten in China, meinte im Jahr 2007, dass die BIP-Zahlen "hausgemacht" und "unzuverlässig" seien.

Ein Anwärter auf den Ministerpräsidentenposten in China hat Wikileaks-Dokumenten zufolge an den Konjunkturstatistiken des Landes gezweifelt. Die Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) seien "hausgemacht" und unzuverlässig, sagte Li Keqiang 2007 laut US-Diplomatenberichten, die über die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht wurden, bei einem Abendessen mit dem damaligen US-Botschafter in Peking, Clark Randt. Li, der damals Vorsitzender der Kommunistischen Partei in der Provinz Liaoning im Nordosten Chinas war, habe sich ungewöhnlich offen gezeigt in seiner Beurteilung der örtlichen Konjunkturdaten, heißt es in einer Botschaftsdepesche. Er habe die Glaubwürdigkeit der Statistiken in Zweifel gezogen.

Der Politiker, der inzwischen zum Vize-Ministerpräsidenten befördert wurde, konzentriere sich vielmehr auf drei Punkte, um die Wirtschaftsstärke der Provinz zu messen, heißt es in den Dokumenten: Stromverbrauch, Transportvolumen im Schienenverkehr und Kreditvergabe. Wenn man sich diese Kenngrößen ansehe, könne man seiner Einschätzung nach das Wachstum vergleichsweise gut berechnen, schrieb der Botschafter in seiner Depesche. "Alle anderen Daten, vor allem die Statistiken zur Wirtschaftsleistung, seien nur eine Referenzgröße, sagte Li lächelnd."

Kein Kommentar aus Peking

Li gilt als möglicher Nachfolger von Ministerpräsident Wen Jiabao, wenn dessen Amtszeit Anfang 2013 abläuft. Das chinesische Außenministerium lehnte eine Stellungnahme zu der Depesche ab und verwies auf eine Erklärung vergangener Woche, in der die USA aufgefordert wurden, sich um das Thema zu kümmern. Die US-Botschaft in Peking war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

Analysten beäugen die chinesischen Daten bereits seit längerem mit Skepsis. "Es ist nicht neu, dass die Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt, vor allem auf lokaler Ebene, nicht verlässlich sind", sagte ein Volkswirt einer internationalen Bank, der nicht genannt werden wollte. Allerdings sei es kaum eine Alternative, sich wie Li auf die Daten zu Stromverbrauch, Transportvolumen und Kreditvergabe zu konzentrieren, auch wenn hier weniger Anreize zur Manipulation bestünden: Die drei Kenngrößen könnten allenfalls die Stahl- und Zementerzeugung abbilden. "Ich bin mir nicht sicher, wie gut man den Einzelhandelsumsatz daraus errechnet", sagte der Analyst.

Li dürfte in seiner Zeit an der Spitze von Liaoning vor allem an der Schwerindustrie interessiert gewesen sein. Die Provinz gehört zu den wichtigsten chinesischen Standorten für die Stahl-, Petrochemie-und Maschinenbaubranche. Zudem hat er bereits in der Vergangenheit Kritik an der nationalen Statistikbehörde geäußert.

In der US-Depesche wird Li als gut informiert und einnehmend beschrieben. Er habe Interesse daran, eine "harmonische Gesellschaft" zu schaffen, mit Investitionen in den sozialen Wohnungsbau und genügend Arbeitsplätzen. In dem Gespräch mit dem US-Botschafter habe Li seine Unzufriedenheit mit Bildung, Gesundheitswesen und der Wohnsituation zum Ausdruck gebracht und zugleich die Korruption als größtes Ärgernis bezeichnet.

(APA/Reuters)

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