Seouls Militär „verteidigt“ in einer Übung eine umstrittene Insel im Gelben Meer. Pjöngjang verspürt „kein Bedürfnis nach Vergeltung“. Am Montag blieb es an der heißen Grenze im Gelben Meer ruhig.
Tokio/Seoul. Exakt 94 Minuten lang feuerten Südkoreas Kanonen am Montag in dichtem Nebel Richtung Norden. Symbolträchtig wurde dabei die Insel Yeonpyeong verteidigt, die vor fast vier Wochen, am 23. November, von nordkoreanischer Artillerie beschossen wurde. Damals gab es vier Tote.
Am Montag blieb es trotz der umstrittenen Kriegsübung an der heißen Grenze im Gelben Meer ruhig. Das Regime in Pjöngjang hatte in der vergangenen Woche einen „massiven“ Militärschlag angedroht, sollte das Manöver stattfinden. „Intensität und Umfang“ sollten schwerer sein als bei dem Angriff vor knapp einem Monat. Am Montag hieß es dann aber seitens Pjöngjangs: Eine Reaktion „lohnt sich nicht“. So zitierte die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA Vertreter der nordkoreanischen Armee. Nordkorea „verspürt nicht nach jeder verachtenswerten militärischen Provokation das Bedürfnis nach Vergeltung“, hieß es.
Alarm für Nordkoreas Armee
Vor der Übung hatte die südkoreanische Marine ein Dutzend Schiffe, darunter einen Zerstörer, ins Manövergebiet entsandt und an der Westküste der koreanischen Halbinsel ein Kampfjet-Geschwader in den Luftraum geschickt.
Die Regierung evakuierte vorsorglich die Bewohner mehrerer Inseln, darunter die verbliebenen 150 Einwohner von Yeonpyeong, in sichere Schutzräume. Der Süden schießt, der Norden übt sich – noch – im Ignorieren: Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtet unter Berufung auf einen Regierungsvertreter lediglich, dass die nordkoreanische Artillerie und Luftwaffe in Alarmbereitschaft versetzt worden seien. Einige Kampfflugzeuge, die bisher in einem Hangar abgestellt waren, sollen zum Rollfeld bewegt worden sein, ermittelte die Militäraufklärung in Seoul. Mindestens bis Mittwoch müsse man abwarten, ob Nordkorea zurückschlägt.
Japan hatte vor Manöverbeginn das Regime in Pjöngjang noch einmal zur Besonnenheit aufgerufen, „keine Provokationen unter dem Vorwand der südkoreanischen Kriegsübung zu unternehmen“. Aber eine politische Lösung ist auch nicht in Sicht.
Der UN-Sicherheitsrat in New York konnte sich bei einer Dringlichkeitssitzung nicht auf eine gemeinsame Korea-Resolution einigen. Die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice beklagte anschließend, dass die USA und andere Ratsmitglieder zwar eine Verurteilung Nordkoreas für zwei tödliche Angriffe gefordert hätten, aber am Veto Chinas und Russlands gescheitert seien.
Dem Vertreter Moskaus war diese Schützenhilfe offenbar unangenehm. UN-Botschafter Witali Tschurkin bedauerte, dass „wir jetzt schwere politische Spannungen, aber keinen diplomatischen Ausweg haben“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2010)