In der „Hauptstadt“ der ungarischen Rechtsextremen

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bdquoHauptstadtldquo ungarischen Rechtsextremen(c) AP (BELA SZANDELSZKY)
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Ein Stadtchef von Jobbik will seinen 3000 Roma-Bürgern helfen. Diese sind skeptisch. Der neue Bürgermeister will die Stadt nach außen besser verkaufen, um Investoren anzulocken.

Tiszavasvári. Erik Fülöp entspricht so gar nicht dem stereotypen Bild eines Jobbik-Politikers. Der mit Anzug bekleidete 28-Jährige spricht überlegt und mit leiser Stimme. Nichts Schrilles, nichts Radikales haftet Fülöp an.

Fülöp ist Bürgermeister im nordostungarischen 14.000-Einwohner-Städtchen Tiszavasvári. Nach den ungarischen Kommunalwahlen Anfang Oktober erklärte der Chef der rechtsradikalen Partei Jobbik, Gábor Vona, Tiszavasvári zur „Hauptstadt“ seiner Partei. Es gibt in ganz Ungarn nur noch zwei Dörfer, in denen Jobbik den Bürgermeister stellt.

Fülöp drischt weder Nazi-Parolen, noch ergeht er sich in Hasstiraden gegen Roma, Juden oder Homosexuelle. Auf Vorwürfe, Jobbik habe die Roma bei der jüngsten Wahl „gekauft“, reagiert er nur mit einem müden Kopfschütteln.

Auch das Programm Fülöps passt so gar nicht ins Klischee eines demagogischen Rechtsextremisten. „Wir waren im Wahlkampf die Einzigen, die den Wählern in Tiszavasvári ein umfassendes Programm vorgelegt haben“, betont er. 30 Fachleute aus den verschiedensten Bereichen des Lebens hätten daran getüftelt. Dies sei letztlich auch der Schlüssel zum Wahlerfolg gewesen, sagt Fülöp.

Der neue Bürgermeister will die Stadt nach außen besser verkaufen, um Investoren anzulocken. Und er will beim Abrufen von EU-Fördergeldern so professionell und effektiv wie möglich vorgehen. „Hier gab es in der Vergangenheit viele Versäumnisse.“

Hoffnung Thermalwasser

Doch dies allein wird die hohe Arbeitslosigkeit in der Kleinstadt im Nordosten Ungarns kaum beseitigen. Seit der Wende 1989 haben mehrere Industriebetriebe in der Stadt, allen voran der Medikamentenhersteller Alkaloida, Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut. Aus diesem Grund setzen Bürgermeister Fülöp und die Stadt, so wie viele andere Orte in Ungarn auch, ihre Hoffnungen in das „flüssige Gold“ des Landes – Thermalwasser. Laut Vizebürgermeister József Császár sprudelt in Tiszavasvári noch dazu ein Thermalwasser, das ideal für die Behandlung von rheumatischen und Hautkrankheiten sei. Es fehle bloß ein Investor, der das örtliche Thermalbad modernisiere und ein Hotel baue.

Im Roma-Viertel der Stadt, in dem 2000 bis 3000 Roma leben, ist vom geplanten Aufbruch noch nichts zu spüren. Die unasphaltierte Straße ist mit Müll übersät. Viele Kinder hier haben verfilzte Haare und dreckige Gesichter. Es riecht nach Jauche und verbranntem Plastik; die Menschen heizen hier offenbar auch mit ihrem Müll.

Jobbik habe die Wahl mit unlauteren Mitteln gewonnen, darin sind sich der Rom Ottó und seine Sippe einig. „Mit Bier und Lammgulasch“ seien die Leute gekauft worden. Ein anderer Rom meint, dass viele wegen ihres Analphabetentums irregeführt worden seien. Ihnen sei von „gekauften Zigeunern“ erklärt worden, wo sie das Kreuz hinzusetzen hätten. In Tiszavasvári leben die Roma heute in Angst. Sie wissen nicht, was sie unter Jobbik-Bürgermeister Erik Fülöp zu erwarten haben.

Glaubt man Fülöp, so hat er nichts als gute Absichten. Durch die frühe Einbindung in die Kindergärten, durch den obligatorischen Schulbesuch und durch eine zielgerichtete Fach- und Berufsausbildung will er die missliche Lage der Roma ändern.

Derzeit sei der Kindergartenbesuch erst ab fünf Jahren verbindlich, was bedeutet, dass viele Roma-Kinder, die in ihren Familien fast nur Romanes hören, mit großen Sprachproblemen zu kämpfen haben. Sprachliche Schwierigkeiten begleiten viele Kinder durch die Schulzeit. In vielen Fällen führe dies zu großer Frustration und schlussendlich zum frühen Schulabbruch, erklärt der Bürgermeister.

Im Idealfall wäre für die Roma-Kinder eine Ganztagsbetreuung wünschenswert, sagt er. Und fügt gewählt hinzu: Es wäre nur recht und gut, wenn die Kinder ihrem „negativen familiären Umfeld“ tagsüber entzogen würden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2010)

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