„Jedes Land muss sich an gewisse Spielregeln halten“

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Die Benachteiligung ausländischer Konzerne ruft die europäische Politik auf den Plan: Eine derartige Sondersteuer sei absolut unzulässig. Firmen hoffen darauf, dass die EU die Ungarn zum Umdenken bewegen kann.

Budapest/Wien. Freunde hat sich die ungarische Regierung mit ihrer Sondersteuer für internationale Großkonzerne keine gemacht. Und zwar nicht nur bei den 13 Unternehmen, die offiziell Beschwerde bei der EU-Kommission eingebracht haben. Auch europäische Politiker nehmen sich kein Blatt vor den Mund – und das obwohl oder vielleicht auch, weil Ungarn mit 1.Jänner die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat. Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) findet solche Steuern „grundsätzlich problematisch“. Österreichs Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner überreichte den Ungarn schon im November ein Memorandum, in dem auf die EU-Rechtswidrigkeit der ungarischen Sondersteuer für ausländische Konzerne hingewiesen wird. Außerdem würde die „Krisensteuer“ auch gegen das bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen Österreich und Ungarn verstoßen. Gefruchtet hat dies freilich nichts.

Seit Dezember ist allerdings auch die EU-Kommission aktiv. Schließlich haben 13 Konzerne – darunter die Spar-Handelskette, die OMV und die Baumarktkette Baumax – bei ihr Beschwerde eingereicht.

Hunderte Millionen Kosten

In dem Schreiben, das der „Presse“ vorliegt, fordern die Konzerne die EU-Kommission auf, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einzuleiten. Und die Chancen, damit durchzukommen, stehen gar nicht so schlecht.

Es sind drei verschiedene Branchen mit unterschiedlichen Steuersätzen und Bedingungen betroffen. Große Telekomunternehmen müssen jährlich bis zu 6,5 Prozent, Energieversorger 1,05 Prozent und Handelsunternehmen bis zu 2,5 Prozent der jährlichen Umsätze an den ungarischen Fiskus abführen.

Die heimische Handelskette Spar würde das im heurigen Jahr etwa mit 22 Millionen Euro an zusätzlichen Steuern belasten, sagte eine Unternehmenssprecherin zur „Presse“. Sie spricht von einer „ungeheuerlichen Ungerechtigkeit gegenüber ausländischen Firmen“. Der Energiekonzern OMV muss künftig gemeinsam mit den deutschen Branchenkollegen E.On, EnBW und RWE pro Jahr 94 Millionen Euro zusätzlich bezahlen. Eine Möglichkeit, die Steuer auf die Kunden abzuwälzen, gibt es für sie nicht, da die Regierung zeitgleich Preisobergrenzen eingeführt hat. Ein Unternehmenssprecher der OMV wollte das Thema offiziell nicht kommentieren.

Steuer gilt rückwirkend ab 2010

Was den ausländischen Firmen besonders sauer aufstößt: Die meisten ungarischen Unternehmen sind von der Steuer ausgenommen, da sie aufgrund ihrer genossenschaftlichen Struktur unter der Umsatzgrenze bleiben. Eine „Ausländerdiskriminierung“, die nach Ansicht von Claus Staringer, WU-Professor für Steuerrecht und Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, „nicht explizit vorgesehen“ sei, „sich aber implizit für von Ausländern geführte Großkonzerne“ ergebe. Ganz extrem und offensichtlich sei die Benachteiligung im Handel. Außerdem haben die Ungarn bei den entsprechenden Parlamentsdebatten auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ihre „Krisensteuer“ ausländische Konzerne treffen solle.

„So kann man das nicht machen“, klagt Baumax-Chef Martin Essl im Gespräch mit der „Presse“. „Jedes Land muss sich an gewisse Spielregeln halten.“ Es sei „absolut unüblich und unverständlich“, dass die Ungarn das Gesetz zu Jahresende in nur wenigen Wochen durchgepeitscht, dann aber rückwirkend eingeführt hätten. Anfang Dezember trat das Gesetz in Kraft. Nur 20 Tage später mussten die ausländischen Unternehmen bereits die Sondersteuer für das vergangene Jahr bezahlen. An einen Rückzug aus dem Land denkt dennoch keines der heimischen Unternehmen.

Mühsamer Instanzenzug erwartet

Sie hoffen darauf, dass die EU-Kommission die Ungarn zum Umdenken bewegen kann. Allzu groß dürften die Hoffnungen nicht sein. So heißt es in dem Schreiben auch: „Es kann angenommen werden, dass bis zum Ende des ungarischen Mandats (der EU-Präsidentschaft, Anm.) im Sommer keine Verbesserung der Situation zu erwarten ist.“

Nach jüngsten Gesetzesänderungen dürfen aber nicht einmal mehr die Verfassungsrichter in Ungarn bei Steuerfragen mitreden. Bleibt den Betroffenen noch der Gang zum Europäischen Gerichtshof.

Aus dem Protestbrief der Konzerne an Brüssel

Wir sind bereit, unsere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrzunehmen und einen Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung des Landes zu leisten. Das ist daran zu erkennen, dass die Unternehmensgewinne bereits durch die Bankenabgabe und die „Robin Hood“-Steuer beschnitten wurden.

Wir können aber nicht akzeptieren, dass allein jene Branchen, deren Unternehmen (...) nur eingeschränkt reagieren können, von den Maßnahmen betroffen sind. Darüber hinaus sind ausländische Unternehmen diskriminiert, weil sie die Mehrheit der Krisensteuer tragen müssen. Andere Branchen, die ihr Geschäft einfach aus Ungarn abziehen könnten, etwa die Automobilindustrie, (...) erhalten im Gegenzug sogar steuerliche Anreize für weitere Investitionen.

Sowohl die Handels- als auch die Telekombranche haben Beschwerde (...) eingereicht, um die EU-Kommission zu überzeugen, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn aufzunehmen.

Die Retailhändler werden 92 Millionen Euro im Jahr bezahlen müssen (...), große ungarische Einzelhandelsunternehmen sind von der Steuer ausgenommen.

Der Energiesektor wurde bereits durch die existierende „Robin Hood“-Steuer großer Summen an Kapital beraubt. (...) Preisobergrenzen machen es unmöglich, diese Steuer an die Konsumenten weiterzugeben. Die Unternehmen OMV, RWE, EnBW und E.On alleine werden mit rund 94 Millionen Euro im Jahr belastet.

Die Finanzbranche wird mit einer Krisensteuer von 735 Millionen Euro belastet, 602 Millionen Euro davon tragen die Banken und 133 Millionen Euro die Versicherungen.

Den Telekom-Sektor (...) kostet die Steuer rund 220 Millionen Euro im Jahr. Mit einem Anteil von mehr als 90 Prozent trifft das nahezu ausschließlich Unternehmen, die in ausländischem Besitz stehen. Kleinere ungarische Unternehmen sind von der Steuer ausgenommen oder werden weniger stark belastet.

Wir drängen darauf, dass Sie alles in Ihrer Macht stehende unternehmen, um die ungarische Regierung
von der Bedeutung stabiler rechtlicher Rahmenbedingungen für Investoren zu überzeugen. Ungarn muss dazu gebracht werden, dass es diese ungerechten Hürden wieder zurückzieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2011)

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