Die EU-Kommission prüft derzeit sowohl die umstrittene Konzernsteuer als auch das Mediengesetz. Erste Warnungen an die Ungarn wurden am Montag ausgegeben.
Brüssel/Budapest/Red. Sichtlich wenig Freude hat Europa mit dem Start der Ungarn in ihre Ratspräsidentschaft. Man ist zwar noch einigermaßen zurückhaltend, lässt aber keine Zweifel, dass man sowohl die Sondersteuer, gegen die 13 europäische Konzerne eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingebracht haben, als vor allem auch das Mediengesetz nicht in Ordnung findet. In Ungarn selbst formiert sich Widerstand.
• Die EU-Kommission prüft jedenfalls bereits die von westlichen Konzernen kritisierte Sondersteuer auf die Vereinbarkeit mit EU-Recht. Bereits im Dezember wurde eine Untersuchung begonnen, erklärte ein Kommissionssprecher am Montag in Brüssel. Die Kommission forderte zudem schon im Oktober, nur zwei Tage nach Bekanntgabe des Gesetzes, die ungarischen Behörden zu einer Stellungnahme auf. Die Regierung in Budapest habe darauf bereits vor Weihnachten reagiert. Weitere Details wollte die Kommission vor Abschluss der Prüfung allerdings nicht bekannt geben. Die ungarische Sondersteuer ist bis 2012 befristet und trifft die Branchen Telekommunikation, Energie, Finanzdienstleistungen und Einzelhandel (siehe Seite 2). Aus Österreich haben sich die Chefs von OMV, Spar und Baumax dem Protestbrief angeschlossen.
• Die EU-Kommission hat aber auch große „Zweifel“, was das umstrittene ungarische Mediengesetz betrifft. Ein Sprecher der für Medien zuständigen EU-Kommissarin Neelie Kroes sagte am Montag in Brüssel, man habe in einem Schreiben an die ungarischen Regierungsstellen kurz vor Weihnachten drei Bedenken formuliert. Diese beziehen sich auf das Gesetz selbst, auf seine Vereinbarkeit mit der EU-Medienrichtlinie sowie auf die Unabhängigkeit der in Ungarn geschaffenen Medienbehörde.
Treffen am Freitag
Der zuständige ungarische Minister habe der EU-Kommission geantwortet, dass aus Sicht der Regierung in Budapest keine Verletzung europäischen Rechts vorliege. Das reicht der EU-Kommission allerdings nicht. Man erwartet sich weitere Auskünfte von Ungarn.
Die Vereinbarkeit des ungarischen Mediengesetzes mit der EU-Grundrechtecharta sei bisher aber noch nicht von der EU-Kommission geprüft worden. Auch handle es sich bei dem Brief von Kroes um kein formelles Vertragsverletzungsverfahren gegen Budapest. Die EU-Kommission trifft am Freitag mit der ungarischen Regierung in Budapest zusammen.
• Ungarische Zeitungen starteten unterdessen massive Proteste gegen das umstrittene Mediengesetz. Die linksliberale Tageszeitung „Népszabadság“ erschien zum Beispiel mit fast nur weißem Titelblatt, auf dem in Ungarisch und in 22 weiteren offiziellen Sprachen der EU steht: „In Ungarn wurde die Pressefreiheit aufgehoben.“
Das seit Samstag geltende Mediengesetz stellt alle Fernseh- und Rundfunksender, Printprodukte und Internetportale unter Kontrolle der von der rechts-konservativen Regierungspartei Fidesz kontrollierten Medienbehörde. Medien drohen Strafen bis zu 730.000 Euro. Am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes wurde ein Verfahren gegen ein Privatradio eingeleitet, das einen Song des US-Rappers Ice-T gespielt hat, der angeblich Ungarns Jugend gefährde.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2011)