Ungarn-Premier räumt taktische Fehler ein, will das kritisierte Mediengesetz aber nicht ändern. Das Gesetz sieht Strafen von bis zu 720.000 Euro für unbotmäßige Medien vor.
Budapest/Ag. Zumindest eines gab Ungarns Premier zu: „Es war ein schlechter Start“, sagte Viktor Orbán am Donnerstag, bevor das Budapester Parlament in einer Zeremonie die Übernahme des EU-Vorsitzes feierte. Er räumte auch „taktische Fehler“ beim Streit ums Mediengesetz ein. Doch zurücknehmen will Orbán das Regelwerk nicht, das Strafen von bis zu 720.000 Euro für unbotmäßige Medien vorsieht und sämtliche Radio- und Fernsehsender sowie alle Zeitungen und Internetportale unter die Kontrolle einer staatlichen Behörde stellt.
Das neue Gesetz enthalte keine Passage, die es nicht auch im Medienrecht anderer europäischer Staaten gebe, erklärte Orbán. Die „überstürzte“ und „unnötige“ Kritik aus Ländern wie Deutschland und Frankreich sei eine Beleidigung Ungarns. In Frankreich könne, anders als in Ungarn, der Chef des Fernsehens von der Regierung ernannt werden. Dennoch zweifle er nicht daran, dass Frankreich ein demokratisches Land sei.
Barroso verlangt Aufklärung
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach am Donnerstag von Zweifeln an der Vereinbarkeit des ungarischen Mediengesetzes mit dem EU-Recht. Er forderte Ungarns Regierung zur Klärung einiger Fragen auf. Die Pressefreiheit sei ein heiliges Prinzip der EU, sagte er. SPÖ-Europaabgeordneter Jörg Leichtfried forderte ebenso wie sein deutscher FDP-Kollege Alexander Graf Lambsdorff ein unverzügliches Einschreiten der EU-Kommission. „Wenn ein EU-Beitrittskandidat mit einem solchen Gesetz ankäme, würde er abgewiesen“, sagte Lambsdorff der „Frankfurter Rundschau“.
Ungarns Opposition versucht derweil, das Mediengesetz auf ihre Art zu testen. Die im Parlament nicht vertretene Partei „Grüne Linke“ zeigte den Publizisten und Orbán-Freund Zsolt Bayer wegen eines „antisemitischen“ Hetzartikels bei der neuen Medienbehörde an.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2011)