Vermögen: Die Milliarden des Herrn Oberst

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Diktator Gaddafi hat gewaltige Beträge aus dem Ölgeschäft abgezweigt. Jetzt schlagen NGOs weltweit Alarm: Mit jedem Tag, an dem sich sein Regime hält, wächst die Gefahr, dass sie für das Volk verloren gehen.

Die ganze Welt hofft, dass die Tage des Gaddafi-Regimes gezählt sind. Die ganze Welt? Nein, ein kleines italienisches Bergdorf macht sich große Sorgen um die bröckelnde Macht des libyschen Revolutionsführers. Denn der schloss die Bewohner von Antrodoco ins Herz, als er auf der Fahrt zum G8-Gipfel in L'Aquila vor zwei Jahren dort Halt machte und herzlich empfangen wurde. Die Folge: Gaddafi versprach dem Nest 16 Mio. Euro, als Finanzierungshilfe für ein Luxushotel in einem Gemeinde-Palazzo, eine kleine Therme, eine Mineralwasserabfüllung und ein Trainingslager für Fußballvereine.

16 Millionen sind eine große Summe für ein kleines Dorf. Gaddafi aber zieht sie aus seiner Portokassa. Im Laufe seiner 42-jährigen Herrschaft haben er, seine Familie und seine Entourage an Günstlingen gewaltige Beträge hinterzogen. Wie viel, weiß niemand. Und keiner durchschaut, wie sich das privat ergaunerte Geld mit den Mitteln der Staatsfonds vermischt, durch die Libyens Regierung in aller Welt investiert – in Italien etwa in die Großbank UniCredit, den Autobauer Fiat und den Fußballclub Juventus Turin.

Die Spur führt nach Singapur

Um welche Dimensionen es geht, zeigte die Schweiz-Affäre. Die Genfer Polizei hatte Gaddafis Sohn Hannibal vorübergehend festgenommen, weil er Angestellte misshandelt haben soll. Der erzürnte Vater zog deshalb vier Milliarden Euro libyschen Vermögens von Schweizer Konten ab, 90 Prozent der dort gebunkerten Gelder. Deshalb fällt die Schweiz ausnahmsweise als heißer Tipp für die Suche nach Despoten-Vermögen aus.

Wo aber kamen die vier Milliarden hin, wo liegt der ganze Rest? „Man weiß, dass die Gelder recht breit gestreut sind“, erklärt Mark Pieth der „Presse“. Der Strafrechtler leitet in Basel ein Zentrum für die Suche nach veruntreuten Vermögen. Er vermutet einen guten Teil in Italien, bei den „arabischen Brüdern“ in den Emiraten und in Singapur, das sich in den letzten Jahren durch sein strenges Bankgeheimnis einen exzellenten Ruf unter Geldwäschern erworben hat.

Ein Großteil der geraubten Schätze kommt aus dem Ölgeschäft. Aber die parasitäre Gier der Herrscherfamilie erstreckt sich fast auf die gesamte libysche Wirtschaft. Das wurde aus Diplomatendepeschen von 2006 bekannt, die auf WikiLeaks nachzulesen sind. Die „Einkommensströme“ speisen sich aus Hotels, Baukonzernen, der Telekommunikation, Medien und dem Handel.

Appell an die Banken

Thronanwärter Saif nascht am Bohrgeschäft mit, sein Bruder Mohammed kontrolliert die Post. Tochter Aisha gehört eine Privatklinik in Tripolis. Sohn Saadi, ein Ex-Profifußballer, plante eine neue Touristen-Stadt im Westen. Zuweilen kamen sich die raffgierigen Nachkommen in die Quere, etwa bei einer Coca-Cola-Lizenz, um die sich drei Söhne stritten.

Nun schlagen NGOs weltweit Alarm: Mit jedem Tag, an dem sich das Regime an der Macht hält, wachse die Gefahr, dass die im Ausland geparkten Gelder in Sicherheit gebracht werden und für das libysche Volk verloren sind. Denn das Vermögen gestürzter Autokraten kann erst eingefroren werden, wenn die Nachfolgeregierung ein entsprechendes Ansuchen an ein anderes Land stellt. Milliarden-Jäger Pieth kritisiert derweil an die Banken, bei denen die schmutzigen Gelder liegen: „Die wissen oft viel mehr, als sie sagen.“

Aufgrund des FATF-Abkommens, das auch in Österreich Gesetz wurde, sind Banken eigentlich verpflichtet, bei Verdacht nachzufragen; Strohmänner und Treuhänder müssen dann den wirtschaftlich Berechtigten nennen. Aber zu oft „ignorieren Banken die Themen auf der Südhalbkugel“ – und damit auch, wenn „Diktatoren ihr Volk ausbluten lassen“.

Auf einen Blick

Der Gaddafi-Clan hat 41 Jahre lang Reichtümer angehäuft. Söhne und Töchter beziehen ihr „Einkommen“ aus allen Sektoren der libyschen Wirtschaft. Die Gelder Gaddafis sind weltweit angelegt. Experten vermuten einen großen Teil in Italien, den Emiraten und Singapur.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2011)

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