Nigeria: Zermürbungskrieg gegen Ölmultis

Rebellen haben bei ihrem jüngsten Angriff auf eine Shell-Plattform 22 Menschen getötet. Ihre Wut wird durch die Armut im ölreichen Niger-Delta geschürt.

KAPSTADT/LAGOS. 22 Tote und Dutzende Verletzte: Das ist die Bilanz des Rebellen-Überfalls auf eine Ölplattform des Konzerns "Royal Dutch Shell" im Niger-Delta in Nigeria am Sonntag. Die Täter seien in vier Schnellbooten zu der Plattform gefahren und hätten dann auf das Wachpersonal geschossen, berichtete am Montag die Polizei. Bevor die Aufständischen verschwanden, zerstörten sie Unterkünfte von Arbeitern und Produktionseinrichtungen.

Am Montag bekannte sich die "Bewegung für die Emanzipation des Niger-Deltas" zum Anschlag: "Unser Ziel ist es, Nigerias Ölexport zum Erliegen zu bringen." Die Regierung werde weder die Ölplattformen noch die dort tätigen Arbeiter schützen können, warnte die Gruppe: "Verlasst unser Land oder ihr werdet sterben."

Die Rebellenorganisation wird auch verdächtigt, vier ausländische Arbeiter von "Royal Dutch Shell" im Niger-Delta entführt zu haben. Das Unternehmen hat nun 330 Arbeiter aus der Region abgezogen und erwägt, weitere in Sicherheit zu bringen.

Die Gewalttaten der letzten Tage stellen aber nur einen neuen Höhepunkt dar. Seit Jahren überfallen bewaffnete Banden Ölförderanlagen und kidnappen Ausländer. Hintergrund für die anhaltende Brutalität dürfte die weit verbreitete Wut und Verzweiflung sein: Die Bewohner der reichen Delta-Region gehören zu den Ärmsten der Armen. Ihre Felder und Fischgründe werden regelmäßig vom Öl verpestet. Es gibt weder Straßen noch Eisenbahnschienen - nur Pipelines. Für Rebellengruppen ist es einfach, frustrierte und zunehmend wütende Jugendliche zu rekrutieren.

Der vor sieben Jahren erste demokratisch gewählte Präsident Olusegun Obasanjo hat nichts getan, um die Situation der Menschen in der Region zu verbessern. Aber auch in anderen Teilen des bevölkerungsreichsten Staates Afrikas ist der Alltag das geblieben, was er immer war: trist. 80 Prozent der 130 Millionen Nigerianer müssen mit weniger als einem Euro pro Tag auskommen. Ihr Leben wird von Armut, Dreck und einer erbärmlichen Strom- und Wasserversorgung bestimmt. Am Straßenrand lungern obdachlose Waisenkinder - inzwischen sind es geschätzte acht Millionen.

Das Land hätte aber die Ressourcen, um gegen die Armut vorzugehen: Nigeria bezieht 95 Prozent seiner Einnahmen aus dem Verkauf von Öl. Davon profitieren aber vor allem die städtischen Eliten, die dank des hohen Marktpreises heute besser als je zuvor leben. Die Mehrheit der Bevölkerung hingegen wartet weiterhin auf den Beginn des Kampfes gegen Armut und Korruption sowie auf eine gerechte Umverteilung der Ressourcen - wie von Präsident Obasanjo einst im Wahlkampf versprochen.

Die Reaktion der Regierung auf die Brutalität im Niger-Delta verrät Resignation. Die Jugend sollte ihre Beschwerden lieber den zuständigen Behörden vortragen, hieß es am Montag lapidar. Dialog sei das effizientere Mittel für Konfliktbereinigungen.

Präsident Obasanjo gerät wegen der Angriffe und des damit verbundenen Abzugs der Ölarbeiter zunehmend in Bedrängnis. Denn Nigeria, der achtgrößte Ölexporteur weltweit, verliert nun täglich fast 230.000 Barrel Öl - fast zehn Prozent seiner Gesamtproduktion.

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