Libyen: Massenflucht schreckt Europa auf

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Europa startet eine humanitäre Aktion für Flüchtlinge aus Libyen. Rebellen schlagen Gegenoffensive Gaddafis zurück. Die Aufständischen nahmen nach eigenen Angaben ein halbes Dutzend Söldner aus dem Tschad fest.

Tripolis/Rom/Paris. Das Kampfflugzeug kam wie aus dem Nichts: Während am Donnerstag Rebellen in den Straßen der Küstenstadt Brega die Abwehr eines Angriffs der Gaddafi-Truppen feierten, zischte ein Jet über den Horizont und schoss Raketen auf die Menge. Ein Blutbad blieb aus: Die Raketen verfehlten ihr Ziel und explodierten in einiger Entfernung. Zurück blieben nur Einschlagskrater.

Der Krieg in Libyen geht weiter. Jene Gaddafi-treuen Einheiten, die am Vortag plötzlich in Brega, wo wichtige Ölanlagen sind, einmarschiert waren, wurden von Rebelleneinheiten vertrieben. Die Aufständischen nahmen nach eigenen Angaben ein halbes Dutzend Söldner aus dem Tschad fest.

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Ruf nach Flugverbotszone

Sprecher der Rebellen in Bengasi sagten, die Angriffstruppe Gaddafis habe sich ins Städtchen Ras Lanuf weiter westlich zurückgezogen. Man bereite nun selbst einen Angriff auf den Ort vor. Die Gaddafi-Einheit dort dürfte etwa Bataillonsstärke haben, also rund 700 Mann. Damit schmolz die Zahl der Orte, die vom Regime kontrolliert werden, zusammen (siehe Karte). Im Grunde bleiben nur Tripolis, einige Orte im Umfeld, Sirt und Ras Lanuf sowie Städte in der westlichen Wüste. Am Donnerstag lief in Tobruk in Ostlibyen auch eine Marineeinheit mit Kriegsschiffen über.

Rebellenvertreter in Bengasi, die eine Art Übergangsregierung gebildet haben, baten um ausländische Luftunterstützung, vor allem eine Flugverbotszone über Libyen. Das wäre keine fremde Militärintervention, und Luftangriffe seien gerechtfertigt, um den „Import“ fremder Söldner zu unterbinden. Frankreichs Außenminister, Alan Juppé, sagte, sein Land sei bereit, bei der Kontrolle einer Verbotszone gemeinsam mit Großbritannien mitzuwirken.

Kriegsschiffe kreuzen vor Küste

Immer mehr Staaten haben Kriegsschiffe zu Libyens Küste entsandt: Neben einem halben Dutzend US-Schiffen kreuzen je drei Fregatten bzw. Zerstörer aus Deutschland und Großbritannien sowie je ein Schiff aus Holland und Südkorea. Indien hat drei Kriegsschiffe entsandt, Kanada eines; zudem sind der französische Hubschrauberträger „Mistral“ und eine Fregatte im Anmarsch. Die Schiffe dürften aber vorerst vor allem in humanitärer Mission agieren: Sie sollen 110.000 ägyptische Gastarbeiter, die an der Grenze zu Tunesien gestrandet sind, in ihre Heimat zurückbringen. Spanien entsendet zu diesem Zweck Transportflugzeuge nach Tunesien, und Italiens Regierung gab bekannt, sich ebenfalls mit Flugzeugen und Kriegsschiffen zu beteiligen. Zudem will Rom ein Flüchtlingslager in Tunesien für 50.000 Insassen errichten und das Meer vor Tunesien besser kontrollieren, um einen Flüchtlingsstrom nach Europa zu unterbinden.

Österreich trägt halbe Million bei

Die österreichische Regierung stellt ein Hilfspaket für Nordafrika zusammen. Finanzminister Josef Pröll und Außenminister Michael Spindelegger wollen 500.000 Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds loseisen, der Beschluss soll bei der Sitzung des Ministerrates am 8. März erfolgen. Mehrere heimische Hilfsorganisationen, etwa das Rote Kreuz, entsenden Mitarbeiter nach Tunesien.

Die Arabische Liga beriet über einen Friedensplan, der von Venezuela vorgeschlagen wurde: Demnach sollten Persönlichkeiten aus Lateinamerika, Europa und Afrika zwischen Gaddafi und den Rebellen vermitteln und einen Waffenstillstand aushandeln. Ein Sprecher von Venezuelas Präsident Hugo Chávez sagte, Gaddafi habe den Plan akzeptiert. Rebellenvertreter lehnten ihn hingegen ab. Chávez sowie die Regierungen Kubas und Nicaraguas sind praktisch die Einzigen, die noch die Gaddafi-Regierung unterstützen.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag nahm unterdessen am Donnerstag Ermittlungen gegen Gaddafi und mehrere Mitstreiter wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf.

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