Der von Präsident Obama forcierte Ausbau der Kernenergie könnte auf Skepsis und neue Hürden stoßen. Insgesamt betreiben die Vereinigten Staaten 104 Atommeiler, davon vier im erdbebengefährdeten Kalifornien.
Washington. Die Renaissance der Atomenergie in den USA ist ins Schwanken geraten. Zwar beeilten sich die Lobbyisten der Atomindustrie, die Befürchtungen zu zerstreuen. Der unabhängige Senator Joseph Lieberman, ein Atombefürworter, brachte indes die Stimmung auf den Punkt: „Wir müssen auf die Bremse steigen, bis wir abschätzen können, was sich in Japan ereignet hat und ob wir neue Anforderungen für die geplanten Atomkraftwerke brauchen.“
Im Vorjahr hatte Präsident Barack Obama überraschend ein Comeback der Kernenergie eingeleitet. Er stellte Regierungskredite von 54 Milliarden Dollar für den Bau neuer AKW in Aussicht. Bis 2020 sollen mindestens vier neue Atomkraftwerke entstehen, darüber hinaus sind mehr als ein Dutzend Projekte in Planung. Wegen hoher Baukosten zog ein Betreiber in Massachusetts sein Vorhaben indes wieder zurück. Die Kernenergie deckt derzeit 20Prozent des US-Strombedarfs.
Insgesamt betreiben die USA 104 Atommeiler, davon vier im erdbebengefährdeten Kalifornien. Eine Mehrzahl der Reaktoren gilt als veraltet und hat an die 40 Jahre auf dem Buckel. Seit dem Reaktorunfall in Three Mile Island 1979 in Pennsylvania, bei dem Radioaktivität freigesetzt wurde, der aber unmittelbar keine Todesopfer gefordert hat, überwog die Skepsis an der Technologie. Der Zwischenfall war eine Zäsur: Die USA stellten den Bau neuer AKW ein.
Um den Republikanern die Reduzierung schadstoffreicher Energie – insbesondere von Öl – zugunsten erneuerbarer Energieformen schmackhaft zu machen, hat sich Obama die Forcierung der Kernenergie zum Anliegen gemacht. „Um unseren zunehmenden Energiebedarf zu decken und die schwersten Folgen des Klimabedarfs abzuwenden, müssen wir unsere Versorgung mit Atomstrom erhöhen. So einfach ist das“, erklärte er noch im vorigen Jahr. Inzwischen nehmen sich die Stellungnahmen aus dem Weißen Haus vorsichtiger aus.
„Der Anblick der Explosion einer Nuklearanlage kann nicht gut für die Industrie sein“, orakelte der Energieexperte Peter Bradford.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2011)