Israels Angst vor einem "diplomatischen Tsunami"

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Die Palästinenser planen die Anerkennung durch die UNO. Laut UNO erfüllt die Autonomiebehörde die Voraussetzungen, um einen Staat zu regieren.

Israels Premier Benjamin Netanjahu wird nervös. Der September rückt näher und mit ihm drei von der palästinensischen Führung geplante Ereignisse, die Israel keine positiven Entwicklungen versprechen: Präsidenten- und Parlamentswahlen, damit der Abtritt von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas. Und schließlich der Versuch, vor der UN-Generalversammlung die Anerkennung für den Staat Palästina auf dem seit 1967 besetzten Gebiet zu erwirken. Die Chancen auf Erfolg dafür wachsen.

Nach einem gestern, Dienstag, veröffentlichten UN-Bericht hat die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) alle Voraussetzungen erfüllt, um einen Staat regieren zu können. Der Bericht untersucht die Schlüsselbereiche Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Infrastruktur, Erwerbsmöglichkeiten und Gesundheitswesen. „Die Palästinenser wenden sich an ein internationales Forum und vermeiden Verhandlungen“, schimpfte Netanjahu diese Woche vor Botschaftern. Analysten warnen bereits vor einem „diplomatischen Tsunami“.

Um das zu verhindern, geht Netanjahu mehrgleisig vor: Schon vor einigen Wochen kündigte er eine neue Initiative an, um die Friedensverhandlungen wiederzubeleben, an die inzwischen noch nicht einmal mehr das Nahost-Quartett (USA, EU, UNO und Russland) zu glauben scheint. Bislang ist weder inhaltlich etwas über Netanjahus neuen Plan bekannt, noch gibt es einen Termin dafür.

Wirtschaftlicher Aufschwung

Auf diplomatischer Schiene sucht er nach Rückendeckung vor allem bei denen, die gegen unilaterale Schritte stehen, also auch gegen die einseitige Ausrufung „Palästinas“. Parallel sollen praktische Maßnahmen eingeleitet werden, wie der erneute Truppenrückzug im Westjordanland.

Bisher war alles so gut für Netanjahu gelaufen. Sein „Wirtschaftsfrieden“ mit dem Westjordanland anstelle territorialer Zugeständnisse funktionierte: weniger Straßenblockaden, langsamer, aber steter wirtschaftlicher Aufschwung bei den Palästinensern, kaum Terror bei zugleich intensiviertem Siedlungsbau. Selbst der kritische Verbündete im Weißen Haus konnte in puncto Siedlungsbau neutralisiert werden.

Was nicht nach Plan Netanjahus läuft, ist die massive internationale Rückendeckung, die der Palästinenserpremier Salam Fayyad für seinen Staatsaufbauplan gewinnt: Weltbank und Internationaler Währungsfonds rühmen die Finanzreformen der PA. Ein Staat nach dem anderen garantiert „Palästina“ die Anerkennung.

Doch damit nicht genug: Palästinenserpräsident Abbas frischte, auch aus Mangel an einem Partner in Jerusalem, die Kontakte zur islamistischen Hamas auf. Er nahm die Verhandlungen über die Bildung einer Einheitsregierung auf.

Eine Rückkehr der Hamas nach Ramallah und eine erneute Einheitsregierung wären das Ende des Friedensprozesses, warnte Netanjahu. Außenminister Lieberman polterte, mit der Hamas könne es keine Ruhe geben; sie müsse vernichtet werden.

Die Hamas befindet sich mit dem „arabischen Frühling“ im Aufwind. Noch ist eine innerpalästinensische Versöhnung nicht in Sicht. Dennoch wird sich Netanjahu etwas einfallen lassen müssen, um seinen Partner im Friedensprozess noch zurückzugewinnen. Der Baustopp in den Siedlungen ist es, den die PA zur Bedingung für neue Verhandlungen macht.

Auf einen Blick

Im September wird die UN-Generalversammlung voraussichtlich einen palästinensischen Staat anerkennen, und zwar unabhängig davon, ob es einen Friedensvertrag mit Israel gibt oder nicht. Ein Veto der USA ist in dem Gremium nicht möglich. Außerdem hat US-Präsident Obama selbst erklärt, dass bei der nächsten Vollversammlung Palästina als Mitglied aufgenommen werden solle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2011)

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