Finnland: Partei "Wahre Finnen" vor Einzug in Regierung

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Timo Soini ist der Star des finnischen Wahlkampfs. Seine rechtspopulistische Partei "Wahre Finnen" steht schon vor der Wahl am Sonntag als wahrer Sieger fest dürfte Teil der neuen Regierungskoalition werden.

Helsinki/Kopenhagen. „Wo bleibt Soini?“ Vor dem Einkaufszentrum in Espoo nahe Helsinki herrscht Marktstimmung. Buden bieten Strickwaren, Honig und Kuchen feil, dazwischen haben Parteien Wahlkampfzelte aufgebaut. Lokale Kandidaten teilen Broschüren aus, Promis werben um Wähler. Vor dem Stand der Konservativen gibt Außenminister Alexander Stubb ein Interview, daneben debattiert die linke Vizeparteichefin Maria Guzenina mit Zweiflern.

Doch dem alten Paar, das sich durchs Gewimmel drängt, reicht das nicht. „Wo bleibt Soini?“, fragt der Mann. Nur ihn wollen sie hören, nur ihn wollen sie wählen.

Timo Soini, ein dicklicher 48-Jähriger mit Krankenkassabrille und schlecht sitzendem Anzug, ist der Star des Wahlkampfs. Vier Prozent bekamen seine „Wahren Finnen“ vor vier Jahren, doch wenn am Sonntag die Stimmen ausgezählt sind, wird sich sein Wähleranteil verdrei-, vervier- oder verfünffacht haben. Zwischendurch schien seine Partei gar größte Kraft zu werden und Soini auf dem Weg ins Amt des Premiers. Jetzt scheint der Höhenflug etwas gebremst, Platz vier ist wahrscheinlicher als Platz eins. Doch dass Soini der wahre Sieger sein wird, scheint klar.

Begnadeter Volksredner

Dass die Partei, deren Name „Perussuomalaiset“ (PS) mit „Gewöhnliche Finnen“ korrekter übersetzt wäre, den Erfolg ihrem Chef zu verdanken hat, steht fest. „Wir sind gewöhnliche Leute und reden wie gewöhnliche Leute. Darum mögen sie uns“, sagt er. Mit seiner metaphernreichen Sprache und dem grunzenden Lachen ist Soini ein begnadeter Volksredner, seine populistischen Botschaften kommen leichter an als die Versuche der anderen, Politik zu erklären.

„Warum sollen wir unsere Milliarden über Griechen und Portugiesen ausschütten, statt sie unseren Alten zu geben?“, fragt er. „Das kann nicht funktionieren“, tut er den Euro ab. Was er anstelle von Euro und EU setzen will, kann er nicht sagen. Jedenfalls stehen nur die Briten der EU misstrauischer gegenüber als die Finnen.

Auch in der Ausländerpolitik brodelt es, grotesk in einem Land, in dem der „Fremdenanteil“ unter vier Prozent liegt. „Niemand wagt, mich einen Rassisten zu nennen“, poltert Soini. Doch auf der PS-Wahlliste sind Leute, die postulieren, dass der Islam Pädophilie fördere und Überfälle „nationale und genetische Eigenschaften“ gewisser Einwanderergruppen seien.

Zudem spielt den „Wahren Finnen“ auch ein Parteienfinanzierungsskandal in die Hände: Obskure Vereine haben vor allem die regierende Zentrumspartei von Premierministerin Mari Kiviniemi und deren konservativen Koalitionspartner mit viel Geld unterstützt und dafür Einfluss auf die Politik gesucht, von der Vergabe von Aufträgen bis zur Auswahl der Minister. Ministerpräsident Matti Vanhanen trat deshalb 2010 zurück. Die Sozialdemokraten vermochten von dem Skandal kaum zu profitieren, weil ihre Finanzierung durch Gewerkschaftsgelder auch fragwürdig ist und sie ihre Oppositionsrolle so defensiv spielen, dass 30 Prozent der Finnen glauben, die Arbeiterpartei sei in der Regierung.

Wer mehr Promille hat, gewinnt

In Umfragen liegen die Konservativen noch knapp vorn. Auch die Sozialdemokratin Jutta Urpilainen hat die Hoffnung auf Platz eins nicht aufgegeben. Meinungsforscher versprechen den drei Großparteien je 18 bis 20 Prozent, und wer ein paar Promille mehr hat, bekommt den Auftrag zur Regierungsbildung. Zwei der drei Großen werden dann der nächsten Koalition angehören, und dazu vermutlich die „Wahren Finnen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2011)

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