Schlägt Ägyptens Regime zurück?

(c) AP (Khalil Hamra)
  • Drucken

Viele wollen Ägyptens Revolution scheitern lassen: von der ehemaligen Staatssicherheit bis hin zu Saudiarabien. Die Angriffe auf koptische Christen durch Muslime in Kairo könnten eine Waffe in diesem Spiel sein.

Die Gewalt in Ägyptens Hauptstadt Kairo reißt nicht ab. 400 koptische Christen, die gegen die jüngsten Angriffe auf ihre Kirchen protestierten, wurden von Gegendemonstranten attackiert. Beide Gruppen bewarfen einander mit Steinen. Auch Schüsse fielen. Das berichteten die ägyptischen Behörden. Sie haben im Kairoer Viertel Imbaba die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt – dort, wo in der Nacht auf Sonntag bei Ausschreitungen zwischen Muslimen und koptischen Christen mindestens zwölf Menschen getötet wurden und zwei Kirchen in Flammen aufgingen.

Ägyptens Revolution hat viele Schwachpunkte: Armut, Analphabetentum und radikale islamistische Rattenfänger, die nun unbehelligt ihr Unwesen treiben. Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Christen sind der Ausdruck dieser Schwachpunkte. So ist es kein Zufall, dass ausgerechnet im Armenviertel Imbaba nun die Kirchen brannten, wo radikale Scheichs seit Jahrzehnten die Gehirne jener waschen, die nie das Privileg einer Ausbildung hatten. Da reicht ein Gerücht, dass eine zum Islam konvertierte Frau in einer Kirche festgehalten wird, um die Lage innerhalb weniger Minuten zu einer konfessionellen Explosion zu bringen.

Salafisten als Werkzeug?

Während der Revolution standen Christen und Muslime am Tahrir-Platz Seite an Seite. Obwohl wochenlang keine Polizei auf der Straße war, wurde keine einzige Kirche angegriffen. Just als die Ägypter dann die Büros der Staatssicherheit besetzten und deren Auflösung forderten, brannte vor wenigen Wochen die erste Kirche.

Die Revolution ist 100 Tage alt. Es gibt viele, die sie zum Scheitern bringen wollen, für die es ein Einfaches ist, auf den Knopf der muslimisch-christlichen Befindlichkeiten zu drücken. Der Tahrir-Platz war ein guter Anfang, eine nationale Einheit jenseits konfessioneller Grenzen zu demonstrieren, aber es war eben nur ein Anfang.

Hinter den Angriffen auf die Kirchen steht eine kleine, aber sehr laute Gruppe radikaler Islamisten oder Salafisten, wie sie jetzt oft genannt werden, die einen konservativen, mittelalterlichen Islam predigen, in dem Christen keinen gleichberechtigten Platz haben. Sie sind das Instrument, dessen sich die Gegenrevolutionäre jetzt bedienen. Der „Talk in Town“ in Kairo spricht davon, dass die alten Vertreter der Staatssicherheit und des Mubarak-Regimes die Salafisten von der Leine lassen, um Chaos zu stiften. Auch auf Saudiarabien wird gezeigt, denn von dort kommt nicht nur die salafistische Ideologie, sondern auch das Geld, mit dem die radikalen Scheichs ausgeschickt werden, um das Gift ihrer Ideen zu verbreiten.

Saudiarabien hat Angst, dass die Revolutionen auch auf die Arabische Halbinsel überschwappen. Was liegt da näher, als das Modell Ägypten zum Einsturz zu bringen.

Kampf gegen extreme Ideologie

Viel wird jetzt davon anhängen, wie Ägyptens Gesellschaft reagiert. Die radikalen Islamisten wurden vom alten System als reines Sicherheitsproblem betrachtet und weggesperrt. Ihrer Ideologie entgegengestellt hat sich das Regime nicht. Jetzt ist es an der Zeit, diese Strömungen politisch und gesellschaftlich zu isolieren. Das ist neben dem Aufbau einer Demokratie und eines Rechtsstaates die wohl schwerste und offensichtlich dringlichste Aufgabe, der sich die Tahrir-Jugend jetzt stellen muss.

Auf einen Blick

Zwischen Christen und Muslimen ist es in Kairo erneut zu Gewalttaten gekommen. Ein Protestzug von Kopten wurde angegriffen. Erst in der Nacht auf Sonntag waren zwei Kirchen angezündet worden. Die Behörden machen das gestürzte Regime für das Schüren der Unruhen verantwortlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.