Ex-Nato-General Wesley Clark: "Gaddafi wird stürzen"

Ex-Nato-General Wesley Clark:
Ex-Nato-General Wesley Clark: "Gaddafi wird stürzen"einstiger US-Oberbefehlshaber im Kosovo-Krieg Ex-Nato-General Wesley Clark (c) Die Presse (Mirjam Reither)
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Wesley Clark, einstiger US-Oberbefehlshaber im Kosovo-Krieg, ist überzeugt, dass Luftangriffe ausreichen, um Libyens Diktator Gaddafi zu Fall zu bringen. Die USA werden ihre globale Machtposition beibehalten.

Sie leiteten 1999 die Nato-Militäroperation im Kosovo. Damals beklagten Sie den fehlenden Willen, Bodentruppen einzusetzen. Müsste diese Kritik nicht nun auch für den Libyen-Krieg gelten, der seitens der Alliierten ebenfalls nur aus der Luft geführt wird.

Wesley Clark: Wir mussten damals im Kosovo die Eskalationsdominanz erreichen: Wenn die Luftangriffe allein nicht ausgereicht hätten, wäre die Nato zum nächsten Schritt gezwungen gewesen. Gott sei Dank war das nicht notwendig, aber wir hätten darauf vorbereitet sein müssen. In Libyen schlägt die Nato denselben Weg ein.

Ist denn irgendjemand bereit, Bodentruppen nach Libyen zu schicken?

Nein, diese Bereitschaft gibt es nicht ...

Gibt es überhaupt eine Strategie in Libyen?

Die Menschen in Libyen müssen verstehen, dass sich die Nato des Problems angenommen hat. Mehrere Staatschefs haben klargemacht, dass Gaddafi weichen muss. Und Gaddafi wird stürzen.

Wesley Clark
Wesley Clark(c) Die Presse (Mirjam Reither)

Ganz offensichtlich ist Gaddafi nicht bereit zu gehen, zumindest nicht freiwillig.

Wenn Männer wie Gaddafi die Nato betrachten, fühlen sie sich durch Berichte über Differenzen zwischen Nato-Mitgliedern bestärkt. Doch das ist eine Illusion. Die Nato ist ein Konsens-Motor, eine Wurstmaschine, die verschiedene Perspektiven, Argumente verarbeitet.

Die Wurst, die die Nato für Libyen fabriziert hat, ist bisher nicht besonders würzig.

Für Gaddafi wird sie zu würzig sein. Es geht nicht um die Anwendung von Gewalt, es geht um die Anwendung von Willen. Und dieser Wille wird derzeit durch Luftstreitkräfte ausgedrückt.

Auch Gaddafi hat außergewöhnlichen Willen gezeigt. Niemand hätte nach den schnellen Terraingewinnen der Rebellen damit gerechnet, dass Gaddafis Armee weite Teile Libyens zurückerobert.

Seine Armee ist nicht besonders stark. Stark ist sein Sicherheitsapparat, der in den 70er- und 80er-Jahren von der Stasi (Staatssicherheitsdienst der DDR; Anm.) trainiert wurde. Gaddafi unterdrückt sein Volk. Er hat seine Legitimität verloren – wie viel er davon je besessen haben mag. Sogar in der Hauptstadt Tripolis regt sich nun Widerstand.

Die USA drängten nach einer kurzen Anfangsphase, in der sie die Führung innehatten, ins zweite Glied der Libyen-Militäroperation. Ist das der Beginn einer neuen Ära?

Nicht unbedingt. Präsident Obama wollte damit zeigen, dass es für die USA wichtig ist, Bürger in ihrem Freiheitskampf zu unterstützen. Aber Libyen selbst ist nicht von vitalem Interesse für die USA. Deshalb setzte Obama dem Engagement Grenzen und balancierte es dem Gewicht der US-Interessen gemäß aus.

Wesley Clark
Wesley Clark(c) Die Presse (Mirjam Reither)

Ist im Vergleich dazu Ägypten von vitalem Interesse für die USA?

Ja, das haben der Präsident und der Kongress so bestimmt: wegen der US-Interessen in Israel und wegen Ägyptens Einfluss in der islamischen Welt.

Kurz vor seinem Abgang hat Pentagon-Chef Robert Gates in West Point gesagt, dass jeder Verteidigungsminister, der einem US-Präsidenten zum Landkrieg rät, auf seinen Geisteszustand hin untersucht werden sollte.

Das Zitat wurde aus dem Kontext gerissen. Die Stärke von Bodentruppen wird immer den ultimativen Ausschlag in militärischen Konflikten geben. Aber hoffentlich müssen sie in Zukunft nur eingesetzt werden, wenn Amerikas zentrale Interessen berührt sind. Dies war und ist in Afghanistan wegen der Terrorgefahr der Fall. Die Irak-Invasion hielt ich nicht für notwendig.

Auch in Afghanistan lief einiges schief.

Vieles lief schief. Das Ziel war falsch definiert. Das Ziel hätte immer nur sein müssen, Strukturen des internationalen Terrors zu zerstören. Die Mittel, um es zu erreichen, waren inadäquat. Und dann haben die USA die Afghanistan-Mission auch noch halb verlassen und der Nato übertragen. Wieder ohne strategischen Plan, als sich das Terrorproblem schon nach Pakistan verlagerte.

In Europa kam viel Kritik an der Tötung Osama bin Ladens auf...

Ich bin überrascht, wie es daran Kritik geben kann.

Viele Europäer werfen den USA vor, Bin Laden nicht verhaftet, sondern in einer „Kill Mission“ exekutiert zu haben.

Ich glaube nicht, dass es eine „Kill Mission“ war. Und ich glaube auch nicht, dass Bin Laden die Hände hob, um sich zu ergeben.

Wesley Clark, interviewt von
Wesley Clark, interviewt von "Presse"-Außenpolitik-Chef Christian Ultsch(c) Die Presse (Mirjam Reither)

Die USA werden angesichts ihrer Finanzprobleme ihre Militärausgaben reduzieren müssen. Wird dies die internationale Rolle der Supermacht schmälern?

Die internationale Rolle der USA hängt mehr von ihrer ökonomischen als von ihrer militärischen Stärke ab. Manche glauben, dass die besten Zeiten der USA vorbei sind und die aufsteigenden Mächte Asiens in der Zukunft bedeutsamer werden. Nehmen Sie die Tötung Osama bin Ladens als ein Zeichen dafür, dass die Vereinigten Staaten ihre Machtposition und Bedeutung in der Welt beibehalten werden.

Wesley Clark

1944
Geboren in Chicago.

1962
Wesley Clark tritt in die Militärakademie in West Point ein.

1999
Oberbefehlshaber der Nato im 78-tägigen Kosovo-Krieg.

2003
Clark steigt für die Demokraten bei den US-Präsidentschaftswahlen in den Ring, scheidet jedoch bei den Vorwahlen aus.

2011
Clark nahm gestern, Samstag, in Wien, am ersten Jahrestreffen des „Center for Global Dialogue and Cooperation“ teil. Anwesend waren auch Ex-US-Präsident Clinton sowie die Außenminister Sloweniens und Albaniens.

("Die Presse am Sonntag", Print-Ausgabe, 22. Mai 2011)

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