Nordkoreas Diktator auf Betteltour durch China

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Nordkoreas Herrscher Kim Jong-il braucht wieder einmal Hilfe vom Nachbarn China. Er hat seinen Untertanen ab nächstem Jahr mehr Wohlstand versprochen. Gleichzeitig mit Kim war eine US-Delegation in Peking.

Peking. Wenn sich Verbündete treffen, dann kann es so sein wie beim Staatsbesuch von US-Präsident Barack Obama in London: Gespräche, Reden, Händeschütteln, viel Prunk und Pomp, Fernsehkameras und Fotografen fast überall.

Es kann aber auch anders sein, wie der jüngste Besuch Kim Jong-ils in China zeigt: keine Verlautbarungen, keine öffentlichen Auftritte, nur Geheimnisse, Gerüchte und heimlich geschossene Fotos. Der nordkoreanische Herrscher bewegt sich lieber im Schatten – und seine chinesischen Gastgeber spielen mit.

Der 69-jährige Kim fährt selten ins Ausland, wenn überhaupt, führt ihn der Weg in der Regel mit dem Sonderzug zum reicheren Nachbarn China. Seine derzeitige Reise, die am vergangenen Freitag begann, ist bereits die dritte innerhalb eines Jahres. Kim besuchte Fabriken, High-Tech-Zonen, eine Solaranlage und Kaufhäuser im chinesischen Norden, am Yangtse und in der Hauptstadt Peking, wo er gestern, Donnerstag, offenbar mit Staats- und KP-Chef Hu Jintao zusammentraf.

Peking fürchtet sich vor Chaos

Was er von den Chinesen wollte, darüber lässt sich nur spekulieren. Die Gastgeber zeigten ihm – wieder einmal – ihre modernen Produktionsstätten und Einkaufszentren. Damit möchten sie Kim davon überzeugen, dass wirtschaftliche Reformen nicht unbedingt die politischen Machtverhältnisse in Frage stellen. Pekings Führung ist der Meinung, dass Nordkorea ins Chaos versinken könnte, wenn der „Große Führer“ nicht bald das Ruder herumreißt und sich von der stalinistischen Planwirtschaft und dem staatlich gelenkten Versorgungssystem verabschiedet.

Die Reise durch China „bietet die Gelegenheit, Chinas Entwicklung zu verstehen und sie für Nordkoreas Entwicklung zu nutzen“, soll Premierminister Wen Jiabao erklärt haben.

Entlegene Sonderwirtschaftszone

Doch Kim weiß längst, wie China funktioniert. Von der Notwendigkeit, sein System zu ändern, scheint er aber keineswegs überzeugt. Im Gegenteil: Zarte Versuche, die Wirtschaft zu liberalisieren, wurden in letzter Zeit wieder zurückgedreht.

Ein Zugeständnis, das sich Kim und seine Militärs abringen ließen, ist eine Sonderwirtschaftszone hoch im Norden seines Landes, an der Grenze zu China und zu Russland. Noch ist offen, wie sie konkret aussehen soll. Ein wenig Kapitalismus in einer abgelegenen Ecke des Landes dürfte die Lage der meisten Nordkoreaner nicht wesentlich verbessern und allenfalls die Devisenkassen der herrschenden Familien auffüllen.

Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass Kim wieder einmal als Bittsteller nach China kam. Er hat seinen Untertanen ab nächstem Jahr mehr Wohlstand versprochen. 2012 jährt sich nämlich der 100. Geburtstag seines Vaters Kim Il-sung, der auch noch nach seinem Tod 1994 als „Ewiger Präsident“ wie ein Gott verehrt wird. Kim Jong-il muss seine Versprechen wahr machen und die Untertanen im Jahr 2012 beschenken, wie es an hohen Feiertagen üblich ist, wenn er seinen ohnehin angeschlagen Ruf bei den Nordkoreanern nicht noch weiter verspielen will. Sie sind der ständigen Mangelwirtschaft müde.

Diese Geschenke kann er nur mit der Hilfe Pekings übermitteln, das Nordkoreas Regime ohnehin schon mit Erdöl, Getreide und Dünger über Wasser hält. China allerdings dürfte sich weitere Zugeständnisse teuer bezahlen lassen.

Womöglich besteht es darauf, dass Pjöngjang wieder an den Verhandlungstisch der Sechsergespräche zurückkehrt, die als Endziel eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel haben. Nachdem Nordkorea in den Jahren 2006 und 2009 atomare Tests durchführte, wurden UN-Sanktionen gegen das Land erlassen, denen sich auch China anschloss.

Droht neue Hungerkatastrophe?

Gleichzeitig mit Kim war eine US-Delegation in Peking, die zuvor Pjöngjang besucht hatte. Sie wollte erkunden, wie dramatisch die Ernährungslage in Nordkorea ist. Die dortigen Nahrungsmittelspeicher sollen leer sein.

Nun geht es um die Frage, ob die internationale Gemeinschaft ihren Boykott des Diktators aufgeben und wieder Lebensmittel und Energie liefern muss, um eine neue Hungerkatastrophe zu verhindern.

Zur Person

Kim Jong-il regiert seit fast 25 Jahren Nordkorea mit eiserner Hand. Der 69-Jährige hat das Land in die völlige Isolation geführt. Immer wieder kommt es zu Hungerkatastrophen. Zaghafte Versuche, die Wirtschaft zu liberalisieren, hat Kim erst kürzlich wieder zurückgeschraubt. [Reuters]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2011)

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