Deutschland beschließt Atomausstieg bis 2022

Deutschland beschliesst Atomausstieg 2022
Deutschland beschliesst Atomausstieg 2022(c) REUTERS (� Michaela Rehle / Reuters)
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Bis spätestens 2022 sollen alle 17 deutschen Atomkraftwerke vom Netz gehen. Die acht ältesten Anlagen werden umgehend stillgelegt. Der Prozess sei "unumkehrbar", sagt der Umweltminister.

Ein halbes Jahr nach den Laufzeitverlängerungen für deutsche AKW haben die deutschen Regierungspartner CDU, CSU und FDP ihre komplette Kehrtwende in der Atompolitik besiegelt. Die christlich-liberale Koalition einigte sich in der Nacht auf Montag in Berlin darauf, bis spätestens 2022 in mehreren Stufen alle 17 deutschen Atomkraftwerke stillzulegen.

Damit kehrt sie nach der Katastrophe im japanschen Fukushima nahezu zielgenau auf den Ausstiegspfad der rot-grün Vorgängerregierung von 2001/02 zurück, den sie erst im Herbst rückgängig gemacht hatte. Allerdings will Schwarz-Gelb den Versorgern durch AKW-Wartungen und Laufzeitübertragungen kein Hinausschieben des Enddatum nach 2022 erlauben. Bei Opposition und Umweltverbänden stießen die Pläne aber auf Kritik.

Am Montag übergab die von Bundeskanzlerin Angela Merkel eingesetzte Ethikkommission auch ihren Bericht zum Atomausstieg. Merkel betonte, ihre Regierung wolle "neue Wege" bei der Energieversorgung einschlagen. Die Empfehlungen der Kommission dienten als "Richtschnur".

"Es wird keine Revisionsklausel geben"

Laut den Plänen der Koalition sollen die sieben älteren Atomkraftwerke, die nach der Fukushima-Katastrophe vom Netz genommen wurden sowie der seit Jahren stillstehende, pannenbehaftete Meiler Krümmel vom Netz bleiben. Sechs weitere Meiler sollten bis spätestens 2021 vom Netz gehen, die drei neuesten AKW dann 2022, sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) im Anschluss an die Nachtsitzung.

Die Regelung entspreche insgesamt einer Restlaufzeit von 32 Jahren, die in der nächsten Dekade noch genutzt werden könnten. "Aber definitiv: Das späteste Ende für die letzten drei Atomkraftwerke ist dann 2022", betonte Röttgen. Der Prozess sei unumkehrbar. "Es wird keine Revisionsklausel geben." Die Ethikkommission hat einen Ausstieg innerhalb eines Jahrzehnts oder schneller vorgeschlagen. Im vorigen Jahr lieferten die deutschen AKW knapp ein Viertel des deutschen Strombedarfs.

Brennelementesteuer wird 2016 abgeschafft

Nach dem Regierungspapier zur Energiewende soll die energieintensive Industrie wie Stahl- und Aluminiumhersteller mit 500 Millionen Euro aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten entlastet werden. Gegebenenfalls solle das auch darüber hinaus möglich sein. Zudem soll das Gebäudesanierungsprogramm über 2012 hinaus mit 1,5 Milliarden Euro ausgestattet werden.

Der Stromverbrauch in Deutschland soll bis 2020 um zehn Prozent gesenkt werden. Um Netzstabilität und Versorgungssicherheit zu gewährleisten solle eines der älteren AKW bis 2013 als Reserve-Kraftwerk bereitstehen. Die bis 2016 geltende Brennelementesteuer, die jährlich 2,3 Milliarden Euro in das deutsche Bundesbudget spülen soll, wird nicht abgeschafft.

Erneuerbare Energie soll forciert werden

Parallel zum Atomausstieg sollen die erneuerbaren Energieformen in Deutschland ausgebaut werden. Ihr Anteil an der Stromerzeugung soll von derzeit gut 17 Prozent bis zum Jahr 2020 auf 35 Prozent steigen. Gleichzeitig sollen neue mit fossilen Brennstoffen betriebene Kraftwerke in Betrieb genommen werden. Zudem soll das Stromnetz erweitert werden, um eine sichere Versorgung zu gewährleisten.

Die notwendigen Gesetze will die Regierung nun am kommenden Montag beschließen. Dann sollen sie von Bundestag und Bundesrat bis Anfang Juli abschließend beraten werden. Die Regierung strebt einen Konsens mit der Opposition für die Energiewende an, mit der sie die erst im Herbst beschlossene umstrittene Verlängerung der AKW-Laufzeiten wieder zurücknimmt.

Grüne: "Viele Fragen sehr, sehr offen"

Allerdings haben die Grünen eine Zustimmung offengelassen. "Es sind noch ziemlich viele Fragen sehr, sehr offen", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth im ZDF. Die Grünen könnten sich erst dann eine Meinung bilden, wenn alles auf dem Tisch liege, was die Bundesregierung vorhabe.

Die SPD knüpft ihre Zustimmung an konkrete Bedingungen. "Wesentliche Abweichungen sind aus unserer Sicht notwendig im Erneuerbare-Energien-Gesetz", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Aus Sicht der SPD fehle eine Beschleunigung des Ausbaus der Nutzung regenerativer Energien. Außerdem müsse der Ausstieg aus der Atomenergie so gestaltet werden, dass ein Abschalten des letzten AKW noch vor dem von der Regierung geplanten Datum im Jahr 2022 möglich sei.

Greenpeace: "Absolut inakzeptabel"

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace nannte 2022 "absolut inakzeptabel". Merkel habe aus der Atomkatastrophe in Fukushima nichts gelernt. Greenpeace fordert einen Atomausstieg Deutschlands bis 2015 und fixe Abschaltdaten für jeden Atommeiler.

Der AKW-Betreiber RWE behält sich juristische Schritte bei einem vorgezogenen Ausstiegs Deutschlands aus der Kernkraft vor. Zur künftigen Kraftwerksstrategie wollte sich RWE noch nicht äußern.

Die mitregierende FDP lobte die Beibehaltung der Brennelementesteuer als wichtigen Schritt auf dem Weg zu Steuersenkungen in dieser Legislaturperiode. Generalsekretär Christian Lindner stimmte die Bürger zugleich auf zusätzliche Belastungen als Folge des schnelleren Ausstiegs aus der Kernenergie ein. Die Gutachten dazu reichten von einer Spannbreite von wenigen Cent pro Kilowattstunde bis zu Steigerungen um 25 Prozent.

Die Energieversorgung Deutschlands muss nach den Worten Merkels grundlegend verändert werden. Dies sei aber auch möglich. Die beiden Vorsitzenden der Ethikkommission, der frühere Umweltminister Klaus Töpfer und der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft Matthias Kleiner, unterstrichen die Notwendigkeit einer großen, gemeinsamen Kraftanstrengung.

>> Weltkarte: Wie steht es um die Atompolitik?

(APA/Ag.)

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